Jesus- ein Adoptivkind. Predigt zur Taufe Jesu

Jesus ist ein Adoptivkind. Gottes Kind ist ein Adoptivkind. Der Älteste in Gottes Familie ist adoptiert.
Sie schütteln den Kopf und wundern sich, was die Pfarrerin wieder einmal erzählt? Nun, vor langer Zeit haben das viele Theologen erzählt. Jesus ist adoptiert, von Gott, und zwar bei der Taufe. Als Jesus getauft wurde, hat Gott ihn als sein Kind angenommen und erklärt: Du bist mein lieber Sohn. Mit der Taufe wurde Jesus zu Gott.

Taufdeckel
Taufdeckel

Es ist eine der ältesten Christologien, wie das auf theologisch so schön heißt. Was bedeutet es genau, daß in Jesus Gott zu uns gekommen ist, daß Jesus also einerseits Mensch ist und andererseits zugleich Gott? Darüber haben sich die Leute in der Kirche von Anfang an die Köpfe zerbrochen und ganz unterschiedliche Antworten gefunden. Manchmal sprachen keine Argumente, sondern Fäuste. Eine der ältesten Antworten ist die sogenannte Adoptionschristologie. Gott hat Jesus adoptiert – bei der Taufe, andere sagen auch bei der Himmelfahrt.
Jesus ist ein Adoptivkind Gottes. Diese alte Vorstellung klingt ziemlich modern in einer Zeit, in der um Familienbilder gestritten wird und schon der damalige Bundespräsident Horst Köhler 2006 festgestellt hat: „Familie ist, wo Kinder sind.“

Patchworkfamilien mit den verschiedensten Familienkonstellationen hat es schon immer gegeben. Aschenputtel, Goldmarie und Pechmarie, Hänsel und Gretel können uns daran erinnern. Die Märchen erzählen auch, welche Herausforderung eine neu zusammengesetzte Familie für Eltern und für Kinder bedeuten kann. Manchem Waisenkind mag es das Leben gerettet haben, daß es adoptiert, an Kindes Statt angenommen wurde: Du bist mein lieber Sohn, meine liebe Tochter. Doch nicht nur aufgenommen, sondern auch geliebt werden macht aus einem verlassenen, verstörten Waisen- ein Königskind und öffnet tatsächlich einen ganzen Himmel voll Liebe und Glück. Der Älteste in Gottes Familie ist ein angenommenes Kind. Erstaunliche Botschaft für Familien heute, die genauso bunt zusammengewürfelt sind?

Gott hat Jesus mit der Taufe als seinen Sohn adoptiert. Im Markus-Evangelium, dem ältesten Evangelium, klingt diese Vorstellung an; der Taufdeckel in der Jacobikirche illustriert sie anschaulich. Andere haben dieser Adoptionschristologie widersprochen und betont: Jesus war schon immer Gott, sogar bevor er geboren wurde. Das spiegelt sich im Johannesevangelium wider, das 60 Jahre später aufgeschrieben wurde. Der Streit über die unterschiedlichen Positionen zog sich viele Jahrhunderte durch die Geschichte der Kirchen. Egal wie die Dogmen sich weiterentwickelte und entschieden wurden: In der Taufe werden  w i r  adoptiert. Darin sind sich wohl alle einig. Wir werden zu Geschwistern dieses Jesus. Mit der Taufe werden wir als Familienmitglieder Gottes aufgenommen.

Ein adoptiertes Kind bringt immer eine eigene Geschichte mit. Es kann nicht bei den leiblichen Eltern aufwachsen. Es erfährt: es ist kein Platz für dich, aus welchen Gründen auch immer. Mutter zu jung, Eltern zu arm, zu krank, zu viele andere Kinder. Ein sogenannter Fehltritt. Behindert, Aids-krank. Zu schwierig, zu nervig, nicht liebenswert genug. Nicht gewollt. Im falschen Land geboren. Oder einfach der Mutter weggenommen. Vertauscht. Verkauft. Weggestoßen. Aus der falschen Beziehung. Mit einem Makel behaftet.

Es ist kein Platz für dich. Das ist die früheste Botschaft, die viele Adoptivkinder erfahren. Es ist eine massive, tiefe Verletzung und diese Verletzung tragen sie mit sich. Wer ein Kind adoptiert, muß sich damit auseinandersetzen und wird damit konfrontiert: dieses Kind hat eine Geschichte. Vielleicht tut sie weh. Vielleicht wird sie für immer verschlossen bleiben. Adoptieren heißt: ich nehme etwas an und es ist fremd. Das Fremde gehört dazu. Ich will es lieben, umarmen, hüten. Ich will es bewahren wie mein Eigenes.
Ein Adoptivkind ist in den seltensten Fällen ein Kind erster Wahl – höchstens in Regenbogenfamilien. Die meisten Eltern jedoch wollen ein eigenes Kind. Schon der Begriff drückt das Dilemma aus: ein eigenes Kind. Ein adoptiertes Kind ist, jedenfalls zunächst, ein „fremdes“. Auch die Eltern haben oft Träume im Gepäck, die zerbrochen sind. Meistens hat es nicht geklappt mit dem Kinderkriegen. Oder ein Kind ist gestorben.
Erwachsene und Kinder, sie bringen ihre ganz eigenen Geschichten mit. Und daraus wächst etwas Neues, eine neue Familie. Ihr Netz kann tragen. Es kann gelacht und gespielt werden. Wunden heilen. Die Narben bleiben zurück. Aber sie brauchen nicht weggeschnitten oder versteckt werden. Sondern sie dürfen zu sehen sein und geben der Familie ein eigenes Gesicht. Ist es auch so mit Gottes Familie?
Verletzungen, Narben, Träume vom glücklichen Leben gehören dazu, in unseren Lebenszusammenhängen und bei uns selbst. Gottes Familie, das sind nicht die Unversehrten, wo alles glatt geht. Sondern aus gebrochenen Biografien entstehen neue Beziehungen, die tragen. Die neue Familie, Gottes Familie wird zum Schutzraum, in dem Liebe und Leben wachsen können.

Die Gemeinschaft in Gottes neuer Familie beruht auf freiwilliger Annahme. Es spielt keine Rolle, wo jemand herkommt oder was jemand erlebt hat. Hier ist Platz für dich. Alle dürfen dazugehören. Erwünschte oder ungewollte Kinder, verstoßene und wiedergefundene, Retortenbabys und Leih-Omas, Kuckuckskinder, bunte Vögel, schwarze Schafe, Schwippschwager und Nenntante… Eine fröhliche Wirtschaft hat Gott sich da ausgedacht.
Jesus, der Adoptivsohn. Du bist mein liebes Kind, sagt Gott zu ihm.
Wir, die bunte Geschwisterschar. Ihr seid meine lieben Kinder, sagt Gott zu uns.
Darauf können wir uns doch mal taufen lassen, oder?

Predigt am 1. Sonntag nach Epiphanias über Matthäus 3,13-17

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