Erntedank: Kaffee, Obst und Wein

„Von andern Völkern nehmen wir Kaffee, Obst und Wein“, haben wir eben gesungen. Kaffee, Obst und Wein – sie kommen von weither. Was haben sie wohl alles erlebt? Was könnten sie uns erzählen, wenn sie reden könnten? Hören wir einmal genau zu.

Ich bin eine Kaffeebohne und heiße Arabica. Mein Name sagt schon, dass ich etwas Besonderes bin. Nicht nur dass ich aus Äthiopien komme. Das ist das älteste Kaffee-Land der Welt und liegt in Afrika. Bei uns im Hochland wachsen auch seltene Kaffeesträucher mit Kaffeesorten, die sonst nirgendwo auf der Welt gedeihen. Dafür brauchen wir gleichmäßiges Wetter. Wir sind ziemlich empfindlich, wenn es zu viel regnet oder zu heiß wird.  In den letzten Jahren kam das ziemlich oft vor. Da war die Ernte spärlich. Meine Kaffeebäuerin hat schon überlegt, ob sie die gewöhnlichen Kaffeebäume anpflanzt. Die sind etwas robuster und heißen auch so: Robusta. Die Fläche im Hochland, auf der wir Arabica gedeihen, wird immer kleiner. Dabei wird unser Geschmack so gelobt! Neulich kam meine Bäuerin von einer Besprechung zurück. Auch bei den anderen Familien mickern die empfindlichen Arabica-Sträucher und bekommen eine Pilzkrankheit, den Kaffee-Rost. Überall wird es heißer! Sogar bei den robusten Kaffeebäumen können sie inzwischen weniger ernten. Dabei wächst die eigentlich fast überall. Meine Bäuerin sprach vom Klimawandel, durch den es auch vielen anderen Pflanzen und Menschen schlecht geht. Wenn ich mir etwas wünschen könnte, dann dass wir alle gemeinsam etwas gegen den Klimawandel tun.
Wußtet ihr übrigens, wieviel Kaffee die Erwachsenen in Deutschland trinken? 14 Päckchen im Jahr !  (6,9 kg, 2013)

Ich bin eine Banane und komme aus Ecuador. Das liegt in Südamerika. Der Junge, der mich geerntet hat, heißt Wilbur Carreño. Er ist 10 Jahre alt. Er ist ziemlich geschickt, denn er hat schon lange auf der Plantage gearbeitet. Jeden Mittag kommt er mit seiner Schwester Felicitas hierher. Ihre Eltern verdienen zu wenig, sodass die beiden seit der 2. Klasse nach der Schule hier arbeiten müssen. Wilbur klettert auf die großen Bananenbäume und bindet die schweren Zweige mit den  Bananentrauben hoch, damit sie nicht abbrechen. Mit einem riesigen scharfen Messer hackt er die Büschel ab. Da muss er sehr aufpassen, dass er sich nicht verletzt. Seine Schwester Felicitas schleppt die Stauden zum Lastwagen. Die sind doppelt so schwer wie sie. Wilbur und Felicitas müssen sich ganz schön anstrengen. Also in mir steckt viel Arbeit! Wenn ich mir etwas wünschenkönnte, dann dass ihr kein Essen wegwerft, sondern schlau kauft und immer auch die Reste verwertet.

Ich bin eine Weintraube. Die Sonne im Herbst macht die Trauben schön reif und süß. Am Süßen See oder an den Hängen der Unstrut bei Freyburg sind sie reif und werden geerntet. In Deutschland ist jetzt Zeit für die Weinlese. Aber ich habe eine weite Reise hinter mir. Ich komme aus Südafrika. Das sind ungefähr 11.400 Kilometer! Wir werden reif, wenn es bei euch kalt ist und keine Trauben mehr wachsen. Zum Beispiel zu Weihnachten. Auch wenn Winter ist, möchten viele Leute nicht auf Trauben  verzichten. Deshalb sind wir auf riesigen Weinfeldern in Südafrika gewachsen. Immer wieder wurden wir gespritzt zum Schutz vor Schädlingen – eine richtige Chemiedusche. Als wir reif waren, wurden wir gelesen. Frauen haben die faulen Beeren abgezupft und uns in Kartons gelegt. Dann sind wir mit dem Lastwagen zum Hafen gefahren. Dort wurden wir in riesige Kühlcontainer gestapelt und mit dem Kran in ein Schiff gehoben. Auf der Reise habe ich entsetzlich gefroren. Nur 1 Grad war es im Container, damit wir frisch bleiben. Leider gehöre ich zur kernlosen Sorte, sonst hätte ich die ganze Zeit vor Kälte mit meinen Kernen geklappert. Gestunken hat es von dem vielen Diesel. Und es war langweilig. Drei Wochen waren wir unterwegs, bis wir in Rotterdam im Hafen angekommen sind. Ich kann euch sagen:  So eine Weltreise ist anstrengend! Aber die Leute möchten unter dem Weihnachtsbaum Weintrauben oder Erdbeeren oder Heidelbeeren knabbern. Die kommen übrigens auch aus Südafrika oder aus Peru.Wenn ich mir etwas wünschen könnte, dann dass die Menschen nicht so viel Obst und Gemüse aus fernen Ländern kaufen, sondern Wintergemüse oder von den wunderbaren alten Apfelsorten,  die bei uns wachsen.

Kaffee, Obst und Wein: sie alle werden auf Schiffen zu uns transportiert. Ohne Schiffe hätten wir auch keine T-Shirts und keine Handys. Schiffe verbinden die Kontinente.  Auf hoher See sind sie den Wellen und den Stürmen ausgesetzt und geben gleichzeitig Schutz. Die Menschheit wäre fast untergegangen, wenn Noah nicht ein Schiff gebaut hätte, die Arche.  In dieser Arche haben Noahs Familie und die Tiere überlebt. Wir schicken ein Schiff, hat die Evangelische Kirche in Deutschland 2019 versprochen, als immer wieder Menschen im Mittelmeer ertrunken sind, die auf Schlauchbooten vor Verfolgung und Not in ihren Heimatländern geflohen sind. 2020 lief die Sea-Watch 4 zur ersten Rettungsfahrt aus. Schiffe können Güter über die Weltmeere tragen. Sie können verbinden. Sie können das Leben bewahren. Sie können in höchster Not retten. Zum Erntedankfest denken wir daran, wie wir mit Menschen auf der ganzen Welt verbunden sind, damit, wie sie leben, mit der Umwelt bei ihnen. Wir sind so auch gemeinsam verantwortlich, wie Kinder und Erwachsene anderswo leben, wenn wir die schönen Sachen kaufen, die sie herstellen oder anbauen. Gott hilft uns und macht uns Mut, damit wir unsere Welt so gestalten, dass alle gut leben können.

Predigt zum Erntedankfest über die neue Liedstrophe zu  Matthias Claudius‘ Erntedanklied „Wir pflügen und wir streuen“:

Das meiste, das wir essen, das haben andre g’sät.
Wie leicht sind die vergessen, die pflanzten, die’s gemäht.
Von andern Völkern nehmen wir Kaffee, Obst und Wein.
Hat jede was zum Leben? Das Brot muß allen sein!
Gott gehört die Erde, er gibt sie allen gleich,
drum hoffen wir, das Ende kommt von Hunger, arm und reich!
(in Anlehnung an Joachim Ritzkowsky, leicht verändert)

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