Ich schau so gerne in die Ferne mit meinem Doppelglas, hat Tamara Danz von der Band Silly gesungen. In die Ferne zieht es in diesen Wochen auch wieder viele Menschen. Koffer packen und fort, heißt es. Sie wollen ausspannen, Sonne genießen, Natur und Kultur. Sie möchten andere Gesichter um sich herum sehen oder alte ganz neu.
Doch selbst wer viele hundert Kilometer reist, kommt noch nicht automatisch dort an. Was uns belastet, das schleppen wir trotzdem mit uns mit. Die eigene Haut können wir nicht einfach hinter der Wohnungstür zurücklassen, und ungeklärte Konflikte lösen sich nicht automatisch im Meeresrauschen auf.
Ich geh so gerne in die Ferne mit meinem Doppelschuh. Die Ferne ist ein schöner Ort, doch wenn ich da bin, ist sie fort, heißt es bei Silly. Die gleiche Erfahrung machten auch zwei Mönche, erzählt eine Legende. Sie lasen in einem alten Buch, es gebe einen Ort auf dieser Welt, wo Himmel und Erde einander berühren. Wer diesen Ort finde, habe das Glück seines Lebens gefunden.
Da machten sie sich auf, diesen Ort aufzuspüren. Der Weg schien ungeheuer weit. Große Anstrengungen nahmen sie auf sich, bestanden unzählige Gefahren und erlebten Entbehrungen. Ihre Hoffnung trieb sie voran. Eine Tür sei dort, hatten sie in dem Buch gelesen, man brauche nur anzuklopfen und einzutreten. Endlich fanden sie doch, was sie suchten. Sie standen vor der Tür und klopften an. Bebenden Herzens traten sie ein. Und als sie aufschauten, standen sie zu Hause in ihrer Klosterzelle.
Wenn es in diesen Wochen wieder unzählige Leute in die Ferne zieht, dann schwingt Sehnsucht mit. Sehnsucht nach Glück. Nach Liebe. Danach, endlich anzukommen bei sich. Die Mönche der Legende haben dazu ein halbes Leben gebraucht. Ich glaube, auch wir brauchen Zeit, um abzuschalten, und Geduld für uns selbst.
Manchmal müssen Leute um die halbe Welt wandern, um zu sich selbst zu finden. Manchmal genügt der Weg um die Ecke, um zu entdecken: Der Ort, wo Himmel und Erde sich berühren, kann ganz nah sein. Eigentlich.
