Die Bibel gegen den gewohnten Strich lesen – queer, feministisch, sozialgeschichtlich? Die gehaltenen und ungehaltenen Predigten auf dieser Seite versuchen es.
Ich interessierte mich für Geschichte und setze sie gern in meinen Gottesdiensten um. Die Steine predigen tatsächlich! Die kleinen Spielszenen können einen Eindruck von solchen Gottesdiensten geben.
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Viel Spaß beim Stöbern!
Margot Runge
Hier finden Sie Predigten in der Passionszeit, in der Karwoche und zu Ostern. Eine Übersicht für das gesamte Kirchenjahr finden Sie hier.
25. März: Marias Empfängnis, Hagar und die Leihmütter in der Ukraine
Am 25. März ist „Mariä Empfängnis“ oder „Mariä Verkündigung“. Der Engel Gabriel besucht Maria und setzt sie davon in Kenntnis, dass sie schwanger wird. Maria hat nicht mit einer Schwangerschaft gerechnet und bekommt einen Schreck: „Wie soll dies geschehen, da ich von keinem Mann weiß?“ (Lukas 1,34) Gottes Geistkraft wird auf sie herabkommen, beruhigt Gabriel sie. Zu Weihnachten, genau neun Monate später, wird Jesus geboren. Maria wird nicht auf natürlichem Weg schwanger. Sie trägt ein Kind für Gott aus. Sie soll ihren Körper dafür zur Verfügung stellen, dass Gott einen Sohn bekommen kann, dass Gott ein Mensch werden kann. Maria ist buchstäblich eine Leihmutter Gottes. Predigt lesen
Abraham und Isaak: Eltern opfern Kinder
(Judika) Was für eine schreckliche Geschichte! Ein Vater macht sich auf den Weg, seinen Sohn umzubringen und Gott zu opfern. Er hält das für gottgefällig. In letzter Minute hält ein Engel ihn davon ab. Das Kind lebt. Aber die Familie zerbricht daran. Vater und Mutter leben fortan getrennt, vielleicht waren sie das vorher auch schon. Die Mutter stirbt kurz darauf. Was das Kind denkt und fühlt, spielt keine Rolle. Auf seine angstvolle Frage weicht der Vater aus. Die Geschichte klingt wie eine Begebenheit aus grausamen Vorzeiten, die wir lange überwunden glauben, aber sie hat ihre Kreise gezogen über die Jahrhunderte hinweg. Gott wurde zu einem Übervater, der blinden Gehorsam verlangt, Gehorsam zu einem der wichtigsten Werte im Christentum. Und – Vorstellungen, wie die Kinder sein sollen, haben Eltern heute auch. Gute Noten heimbringen, frühzeitig Klavier oder Flöte lernen, eifrig im Sport trainieren, beliebt sein, sich im Vergleich mit anderen sehen lassen können. Predigt lesen
Palmsonntag: Umzüge und Pogrome
Auf in die Hauptstadt! So hieß es nicht nur am Palmsonntag bei Jesus. Auf in die Hauptstadt, so hieß es am Epiphaniastag 2021 in Washington. Auf ins Zentrum der Macht! Doch die 800 Leute, die zum Kapitol zogen, folgten nicht friedlich einem jüdischen Messias. Sie trugen Hörner, schwenkten Fahnen, kletterten durch Fenster, wälzten sich durch die Flure, brachen in Büros ein, lümmelten mit den Füßen auf dem Schreibtisch und schickten ihre Selfies in die Welt: Wir sind da. Dieses Haus gehört uns. Wir haben die Macht. Die Bilanz: 5 Tote, 140 verletzte Polizist*innen, eine zutiefst verstörte Gesellschaft und die bange Frage: wann kommen sie wieder.
Wie anders war der Einzug von Jesus in Jerusalem. Er saß auf einem Esel, die Armen begleiteten ihn. Predigt lesen
Jahreslosung 2023: Du siehst mich
Niemand hat sich jemals für Hagar interessiert. Hagar musste nur ständig zu Diensten sein. Sieben Tage in der Woche, von frühmorgens bis zum späten Abend. Und auch nachts. Dem Hausherrn. Mit Billigung der Hausherrin. Oder sogar auf deren Anregung hin. Hagar sollte schwanger werden, und dieser Sohn sollte den Stammbaum der Familie begründen. Die Hausherrin war schon zu alt dafür. Hagar musste ein Kind zur Welt bringen, aber es würde ihr nicht gehören. Was sie dazu dachte, ihre Schmerzen und Träume – danach fragte niemand. Sie war eine Sklavin, eine ausländische noch dazu. Die Geschichte des Gottesvolkes beginnt mit Abraham, Sara und einer ägyptischen Sklavin als Leihmutter. weiterlesen
Anna selbdritt und die Großmütter
(Hospiz-Einweihung) Ich habe Ihnen ein Bild mitgebracht: Großmutter, Mutter und Kind. Großmutter Anna hält Maria mit dem Jesus-Kind in der Hand. Anna selbdritt wird so eine Darstellung in der Kunstgeschichte genannt. Nach Anna soll das Hospiz benannt werden. In der Bibel ist sie unbekannt. Die Legende hat sie ersonnen. Aber für viele Menschen des Mittelalters war sie wichtig. Denn Großmütter sind wichtig, auch heute. Predigt lesen
Bekennende Kirche: Pfarrer Orphal
(Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus) Im Pfarrhaus der Jacobikirche hat 1932 bis 1943 Pfarrer Ernst Orphal gewohnt. Eine Gedenktafel weist auf ihn hin. In der Zeit des Nationalsozialismus haben sich auch in der Kirche viele an die nationalsozialistische Ideologie angepaßt. Die Deutschen Christen wollten christlichen Glauben vom jüdischen Erbe abtrennen. Das Amen in der Kirche sollte nicht mehr gesprochen werden, es war jüdisch. Konfirmanden sollten in HJ-Uniform zum Konfirmandenunterricht erscheinen. SA-Abteilungen marschierten geschlossen mit Fahnen in den Gottesdienst. Pfarrer stellten sich in SA-Uniform vor den Altar. Ernst Orphal gehörte nicht dazu. Er schloß sich 1935 der Bekennenden Kirche an. weiterlesen
Gott* wird
(Letzter Sonntag nach Epiphanias) Was für ein Name: Ich bin, der ich bin. Oder: Ich werde sein, die ich sein werde. Das ist eher ein Nicht-Name. Gott hat einen Nicht-Namen. Gott heißt nicht Allmächtiger. Oder Herr. Oder Jehova, was eine phantasierte Deutung der 4 hebräischen Buchstaben „Jahwe“, des Tetragramms darstellt. Als Mose am brennenden Dornbusch fragt, gibt Gott sich selbst einen Namen, der kein Name ist und der auch ganz verschieden aus dem Hebräischen übersetzt werden kann: Ich bin, ich werde sein, ich bin für euch da. Ich werde sein, die ich sein werde (2. Mose 3,14). Predigt lesen
Nicht nur Elisabeth und Zacharias: Elternschaft mit Hindernissen
Kinder haben macht sich für’s Image gut. Bei Vorstellungsrunden heißt es oft: Ich bin verheiratet, habe … Kinder und … Enkel, auch wenn das für die Qualifikation oder Aufgabe keinerlei Rolle spielt.. Leute punkten mit der Anzahl ihrer Kinder, selbst wenn das Verhältnis seit Jahren zerrüttet ist. Alleinerziehende müssen sich viel genauer überlegen, was sie sagen, wenn sie an der Reihe sind. Wer keine Kinder hat, bleibt stumm, so wie Zacharias, der erst bei der Beschneidung seines Sohnes seine Sprache wieder fand.
Keine Kinder haben oder nicht auf dem üblichen Weg Kinder bekommen, das ist kein Thema für die Öffentlichkeit. Oft wissen nur die nächsten Angehörigen oder Befreundeten Bescheid. Es wird nicht an die große Glocke gehängt. Es ist eher ein Nicht-Thema, auch in der Kirche.
Als Elisabeth schwanger wurde, hatten Zacharias und Elisabeth die Hoffnung auf ein Kind schon lange aufgegeben. Bestimmt haben sie vieles versucht. weiterlesen
CSD Halle 2022: Männlich / weiblich / divers
Oft wird behauptet, dass es nach der Bibel zwei eindeutig getrennte Geschlechter gäbe. Dann wird meistens auf das 1. Kapitel der Bibel verwiesen, die Erschaffung der Welt: Da heißt es im Vers 27: „Gott schuf die Menschen zu seinem Bild, und schuf sie als Mann und Frau“. Die Kirche und auch die Gesellschaft, wird gefordert, soll endlich eine klare Ordnung in Mann und Frau in den Vordergrund stellen. Dieser Satz wird als Waffe benutzt und allen entgegengehalten, die z.B. über Transition oder sich verändernde Geschlechterrollen nachdenken.
Doch er steht so gerade nicht in der Bibel. Im hebräischen Text heißt es stattdessen: Gott schuf sie männlich und weiblich. Also gerade nicht Mann und Frau. weiterlesen
Jahreslosung 2022: Keine Diskriminierung
Wie versteinert stand Emma da. Wieder einmal hatten sie ihr das hässliche Wort an den Kopf geworfen. Wieder einmal hatten sie ihr klargemacht: Du gehörst nicht dazu. Manchmal war es nur ein Blick, der Emma traf. Oder Leute drehten sich weg und grinsten sich an, wenn sie vorbeikam. Tausend kleine Nadelstiche hatten Emma gelehrt, dass sie anders war. Hier würde sie nie die gleichen Chancen haben. Sie würde nie so selbstverständlich über die Straßen bummeln können wie andere. Emma musste immer darauf gefasst sein, dass irgendwer ihr hinterherstarrte. Irgendwer, der sie nicht einmal kannte. Oder ausspuckte. Dabei war sie ein Mensch wie alle anderen auch. weiterlesen
Gekreuzigte Frau, Jesus in Frauenkleidern – Jesus queer
Die Darstellung einer gekreuzigten Frau stammt aus der Kirche von Santiago Atitlán in Guatemala. Sie wurde mit der Dia-Serie zum Weltgebetstag 1993 aus Guatemala verbeitet. Jesus als Frau – das ist singulär. Oder ist es „nur“ Jesus in Frauenkleidern?
Mir fällt kein einziges Bild ein, in dem Jesus die Hosen anhat. Doch Jesus in Frauenkleidern wäre den meisten Gemeindemitgliedern sehr fremd. Viele wären aufs äußerste empört und wütend. Ein solcher Jesus ist schwer auszuhalten. weiterlesen