Schiffe im Advent – Liedpredigt

Wie gut, dass es Schiffe gibt. Sie sind die ältesten Fahrzeuge der Menschheit. Lange schon bevor Karren oder Wagen erfunden waren, befuhren die Menschen Flüsse und Meere, ja überwanden sogar die Entfernungen zwischen Kontinenten. Mit Schiffen gelangten sie in jene Fernen, in die ihre Füße sie nie hätten tragen können. Schiffe trugen sie in Länder, von denen sie träumten, und über Abgründe und Untiefen hinweg, die lebensgefährlich waren. Nicht nur Kinder können heute noch stundenlang am Strand oder am Hafen sitzen und den Schiffen hinterherblicken. Die spiegelglatten Weiten des Meeres oder die aufgewühlte See faszinierten auch Maler:innen.
Das Schiff ist ein Bild für Hoffnung und Träume. In der Sprache der Symbole ist es auch ein Sinnbild der Reise, des Unterwegsseins, des Übergangs, manchmal sogar des Übergangs vom Leben zum Tod. Wasser verbindet und Wasser trennt.

Jenseits des Wassers, da ist eine andere Welt, dort wohnen Fülle und Freiheit. Von jenseits des Wassers kann Hilfe kommen. Am Ufer stehen die Menschen und warten, auf Nahrung und Hilfsgüter, auf Nachricht von Lieben in der Ferne, auf Rettung. Gestrandete wie Robinson. Oder die Israelit:innen auf der Flucht vor der Sklaverei des Pharao in Ägypten, als ihnen das Rote Meer den Ausweg versperrte. Jüd:innen Juden in der Nazizeit in den Häfen Europas. Visum und Schiff nach Übersee waren oft der letzte Ausweg.
Es ist bitter, dass manche jener Schiffe, voll mit Jüdinnen:Juden, Verfolgten und Exilierten nirgendwo anlegen durften. Kein Land wollte sie haben. Sie kreuzten auf den Weltmeeren wie Geisterschiffe, ja kamen sogar zurück, zurück ins tödliche Deutschland.
Auch heute noch ist ein Boot die letzte Hoffnung für Menschen, die in ihrem Land keine Zukunft mehr sehen und in überfüllten Booten von Schleppern auf dem Mittelmeer ausgesetzt werden. „Wir schicken ein Schiff“, hatte die EKD 2020 beschlossen und die Sea Watch 4 als Seenot-Rettungsschiff ausgeschickt. Es kommt ein Schiff, geladen bis an sein’ höchsten Bord heißt ein altes Adventslied. Es erzählt von dem Traumschiff, das in unserer Welt anlegt.           (EG 8 aufschlagen, die Melodie wird leise gespielt)

Auf welchem Schiff fühle ich mich unterwegs? Gleicht mein Lebensschiff einer Nußschale, die nicht gesteuert werden kann, hin und her getrieben wird und ständig umzukippen droht? Bin ich ein:e Schönwetterkapitän:in? Oder treibe ich in zu ruhigem Fahrwasser dahin und könnte eine Brise frischen Wind im Leben gebrauchen? 1. Strophe singen: Es kommt ein Schiff …

Es kommt ein Schiff, geladen bis an sein höchsten Bord. Beladen sind viele Menschen. Sie sind beladen mit dem, was ihnen das Leben aufbürdet. Lasten und Sorgen, große und kleine, wahrgenommene und übersehene, ausgesprochene und unausgesprochene. Beladen sind viele mit dem, was ihnen auf der Seele liegt. Unaufgeklärtes, Unerledigtes, Belastendes im wahrsten Sinn des Wortes. Das Schiff, was in der Adventszeit kommt, will uns entlasten.
Das Lied war eigentlich ein Marienlied. Das Schiff ist ein altes Symbol für die schwangere Maria, die Mutter von Jesus. Wie in dem Bauch eines Schiffes trägt sie in ihrem dicken Bauch das Gotteskind in die Welt. Das Wasser, durch das das Schiff sich den Weg bahnt, erinnert an das Fruchtwasser im Mutterleib, in dem das Baby schaukelt.
Es erinnert aber auch an die Urflut, von der es zu Beginn des Schöpfung heißt, dass Gottes Geist über ihr schwebt. Wasser ist Voraussetzung allen Lebens.
Es erinnert an das Wasser im Taufbecken, aus dem wir nachher schöpfen und Konrad taufen.  2. + 3. Strophe singen: Das Schiff geht still im Triebe …

Das Schiff naht sich langsam, ruhig, behutsam. Gott nimmt sich Zeit, um zur Welt, um zu den Menschen zu kommen. So wie in den langen Monaten der Schwangerschaft können wir uns in Ruhe darauf einstellen. Niemand braucht schnelle oder fertige Antworten geben, was Glauben für ihn, für sie bedeutet.
Das Segel ist die Liebe, sie bringt das Schiff voran und gibt ihm seine Richtung. Auch im Leben gehört Liebe zu den stärksten Kräften, spendet Hoffnung und Freude, gibt uns Auftrieb. Und dann ist das Schiff endlich da. Der Anker haft‘ auf Erden, da ist das Schiff an Land. Das wird extra betont.
Es gibt einen Ruck. Die Worte und Träume, sie sollen keine schönen Hirngespinste bleiben, sondern müssen von uns gelebt werden. Wir können sie gestalten, oft müssen wir sie erkämpfen. Manchmal verändern sie sich dabei. Da kann es schon einmal ruckeln. Doch so wird die Hoffnung Gestalt gewinnen. 4. Strophe singen: Zu Betlehem geboren im Stall ein Kinderlein …

Zu Betlehem geboren im Stall ein Kindelein. Jene teure Last, die das Schiff bringt, jenes Kind legt sich – von Gott kommend – geradewegs in den Dreck, in einen Stall, in eine Notunterkunft, in eine Futterkrippe für das Vieh. Jesus wurde in Betlehem geboren.
In diesem Jahr denke ich besonders daran, dass es ein jüdisches Baby war, das wir zu Weihnachten besingen. Sofort nach seiner Geburt schickte König Herodes Soldaten nach Betlehem, die ein Massaker an allen Kleinkindern unter 3 Jahren anrichteten. Das Christkind war ein jüdische Kind und wurde verfolgt von Anfang an, so wie viele Jüd:innen nach ihm und heute wieder.

Wasser trennt und Wasser verbindet. So viele Menschen stehen am Ufer. Sie warten, dass sie gesehen werden, dass ihnen Recht wiederfährt, dass ihr Leiden endlich anerkannt wird. Sie warten auf Frieden, auf Gerechtigkeit, auf Liebe. Wenn wir nicht nur an der Oberfläche bleiben wollen, werden wir auch Bitterkeit und Leid erfahren, auch Konrad, auch Finja, wir alle. Vor allem aber können wir die Bitterkeit und das Leid der anderen teilen, mit ihnen mitsterben, für sie kämpfen, sie nicht alleinlassen.

Das Schiff will uns mitnehmen. Durch Höhen und Un-Tiefen, ja Tod und Leben geht die Fahrt, und wahrscheinlich werden wir grau darüber. Doch es lohnt sich. Am Ende, so sagt das Lied, werden wir ankommen. Ankommen im Leben selbst. Amen.  5. + 6. Strophe singen: Und wer dies Kind mit Freuden …

Predigt im Advent mit dem Lied „Es kommt ein Schiff, geladen“, mit Taufe

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Liedtext (Ev. Gesangbuch Nr. 8)
1. Es kommt ein Schiff, geladen bis an sein’ höchsten Bord,
trägt Gottes Sohn voll Gnaden, des Vaters ewig’s Wort.

2. Das Schiff geht still im Triebe, es trägt ein’ teure Last;
das Segel ist die Liebe, der Heilig Geist der Mast.

3. Der Anker haft’ auf Erden, da ist das Schiff am Land.
Das Wort tut Fleisch uns werden, der Sohn ist uns gesandt.

4. Zu Bethlehem geboren im Stall ein Kindelein,
gibt sich für uns verloren; gelobet muß es sein.

5. Und wer dies Kind mit Freuden umfangen, küssen will,
muß vorher mit ihm leiden groß Pein und Marter viel,

6. danach mit ihm auch sterben und geistlich auferstehn,
ewig’s Leben zu erben, wie an ihm ist geschehn.

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