Werft sie in den Hexenturm! Hexenverfolgung in Sangerhausen

1. Verdächtigung (von 2 Stimmen zu lesen)
Die Ernte war so schlecht letztes Jahr, sie ist daran schuld.
     Die Ernte war so schlecht letztes Jahr, sie ist daran schuld.
Ich kann sie sowieso nicht leiden.
     Ich kann sie sowieso nicht leiden.
Sie ist eine Hexe.
     Sie ist eine Hexe.

2. Beschuldigung
Du bist eine Hexe, gestehe!
     Du bist eine Hexe, gestehe!
Werft sie in den Hexenturm!
     Werft sie in den Hexenturm!
Bringt sie auf den Scheiterhaufen!
      Bringt sie auf den Scheiterhaufen!

ICH BIN UNSCHULDIG!

Ab in den Hexenturm!
(alle:) Ab in den Hexenturm!

3. Geständnis
Ab in den Hexenturm. Rechts an der Stadtmauer neben der Musikschule ist er zu sehen – Gefängnis und Folterstätte zugleich. Nicht nur Sangerhausen hat einen. Sie standen überall in ganz Deutschland. Doch nur manchmal ist ihr Name so wie hier in Erinnerung geblieben. Hexenturm – ausgestattet mit dem -Instrumentarium des Grauens.
Am Ende gestanden die meisten, was man nur von ihnen hören wollte.
Eine Frau gesteht

  • ja, sie sei eine Hexe und sei mit dem Teufel zusammen gewesen
  • sie habe an die 400 Kinder umgebracht, darunter auch drei eigene
  • sie habe sie alle wieder ausgegraben, gekocht, einen Teil gefressen, den anderen zu Zaubersalbe verarbeitet
  • sie habe ihre Schwiegertochter und ihre beiden Enkelkinder getötet,
    auch ihre beiden Männer gelähmt und getötet

4. Namen
Ab in den Hexenturm.
Zwischen 1550 und 1680 loderten die Scheiterhaufen am schlimmsten. Aus Sangerhausen und Umgebung kennen wir nur einige Namen.

* Jutta Stulzig, Brücken              1535
* Katharina Finke, Sangerhausen 1538
* Orthea Crauß,  Grillenberg       1608
* Barbara Riethmüller, Sangerhausen      1614
* Gretha Leimbach, Grillenberg   1614
* Anna Moll, Sangerhausen        1652
* Anna Kluge, Ahlsdorf              1652
* Anna Rommel, Bennungen       1693
(* Stimmen aus dem Publikum)

5. Ausmaß
In Wirklichkeit werden es auch bei uns viel mehr gewesen sein. Kein Alter war geschützt, von der 106-jährigen Frau bis zum einjährigen Kind. In Quedlinburg starben 1589   133 Frauen an einem Tag. Aus Anlaß einer Viehseuche ließ der Erzbischof von Salzburg im Jahre 1678 97 Frauen verbrennen. Unter der Regierung des Bischofs Adolf von Würzburg wurden 219 Hexen und Zauberer verbrannt, darunter mehrere Chorherren und Vikare, 18 Schulknaben, ein blindes Mädchen, ein neunjähriges Mädchen und sein noch jüngeres Schwesterchen. Erzbischof Johann von Trier verbrannte 1585 so viele Hexen, dass in zwei Ortschaften nur zwei Frauen übrigblieben. Die letzte „Hexe“ verbrannte man in Europa 1782  in der Schweiz. Doch noch 1823 unterzog man in Holland eine Frau der Wasserprobe.

6. Die wirtschaftliche Seite
Rechnung des Henkers:

Für einen Prozeß
die Person insgesamt 26 mal gefoltert,
   26 Fragen
auf jede Frage 20 Kreuzer
   macht 8 Gulden 40 Kreuzer
dazu: Mahlzeiten des Henkers und der Knechte
   macht 20 Gulden

Alles hat seinen Preis – für die Opfer. Sie oder ihre Verwandten mußten für Folter und Hinrichtung zahlen.
Der Besitz wurde eingezogen.
Ein Mainzer Dechant ließ allein in zwei Dörfern über 300 Menschen verbrennen, nur um ihre Güter mit seinem Stift zu vereinigen.

7.  Erinnerung und Vergegenwärtigung
Wir erinnern hier, am Hexenturm in Sangerhausen, an die Frauen, Männer und Kinder, die als Hexen und Zauberer verfolgt, gequält und getötet wurden – im Namen Gottes  und aus Sadismus, Wahn und Verdächtigungen. Entschuldigt hat sich dafür bis heute niemand.
Wir erinnern auf diesem Kreuzweg an sie und bringen ihr Leiden mit dem Leiden von Jesus in Verbindung. Sadismus, Wahn und Verdächtigungen – so wurde auch er gequält.

Sadismus, Wahn und Verdächtigungen – haben wir das heute tatsächlich überwunden?

 

Gedenken an die Hexenverfolgung im Rahmen eines ökumenischen Jugendkreuzweges am Hexenturm in Sangerhausen. Das Alte Schloss ist heute Kreismusikschule des Landkreises Mansfeld-Südharz. In der Frühen Neuzeit war es Sitz des Amtsschössers. Unter seinem Vorsitz wurden Vernehmungen durchgeführt, gefoltert und Urteile gefällt. Unter anderem haben Caspar Tryller, sein Bruder Michael Tryller und dessen Schwiegersohn Rudolf Sonnenberg hier als Schösser amtiert. In ihre Zeit fallen nachweislich Verurteilungen. Daß der Hexenturm – heute im Privatbesitz – als Gefängnis gedient hat, ist nicht ganz sicher erwiesen. Es liegt jedoch nahe, da sich der Name bis heute erhalten hat.

Quellen: Friedrich Schmidt: Geschichte der Stadt Sangerhausen I, 1906, 867-870; Peggy Zeun: Hexenprozesse in der Stadt und im Amt Sangerhausen. In: „… viele und manchfeldige böse Missethaten…“. Hexenverfolgungen auf dem Territorium Sachsen-Anhalts vom 16.-18. Jahrhundert. Hrsg. Courage e.V. Halle,  ohne Jahr (2000 oder 2001), 48-53

 

 

Im Alten Schloss wurden auch Täuferinnen und Täufer gefangen und verurteilt. 1534 wurde die Täuferin Gretha Knoblauch gefoltert und hingerichtet. Das Foto zeigt einen Gottesdienst in der Ulrichkirche, in dem an die Täuferinnen und Täufer erinnert wurde.

 

 

Über Caspar Tryller: Predigt und Spielszene zum 400. Todestag von Caspar Tryllers Ehefrau Catharina Schillingstedt
Über die Kanzel von 1593 und Folterungen unter Caspar Tryller: Leidenswerkzeuge, Todesengel, Kindersoldaten

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