Ungewöhnliche Zeiten erfordern ungewöhnliche Maßnahmen. Zum Beispiel 1971. Da fiel die Konfirmation in der Jacobikirche aus. Die hatte drei Wochen vorher gebrannt. Die katholische Kirche öffnete ihre Türen, und so wurden erstmals evangelische Jugendliche in einer katholischen Kirche konfirmiert. Oder 50 Jahre später. 2020 fielen die Konfirmationen wieder aus, wurden verschoben und verschoben. Diesmal war es Corona. Und jetzt feiern wir mitten im August.
Solche Veränderungen bringen uns aus dem Trott. Das ist gar nicht schlecht. Die Kluft zwischen katholischer und evangelischer Kirche ist im letzten halben Jahrhundert deutlich kleiner geworden, ökumenische Gottesdienste gehören inzwischen dazu. Und so kurzfristig wie in diesem Jahr haben wir noch nie Konfirmationen geplant, so kurz waren die Gottesdienste auch noch nie. Und wir merken: es geht auch und ist richtig schön.
Ungewöhnliche Zeiten gibt es auch im Privaten. Auch bei Ihnen wird sich nicht alles so entwickelt haben, wie Sie es sich erträumt hatten. Vielleicht ist bei Ihnen eine Liebe zerbrochen. Oder die Arbeitsstelle wurde gestrichen, Krankheit meldet sich, eine Partnerschaft zerbricht, Menschen fallen in ein tiefes Loch. Die Zeit heilt nicht alle Wunden. Aber wir können uns ändern. Die Umstände lassen uns manchmal keinen anderen Weg, als dass wir Gewohntes über Bord werfen. Wir lernen, anders mit uns selbst und mit anderen umzugehen. Oft stellte sich das im Nachhinein als Gewinn heraus.
Ungewöhnliche Zeiten standen auch Noah bevor. Eine Flutkatastrophe kommt, Wassermassen, die alles Leben verschlingen. Die Katastrophe war zwar angekündigt von Gott – so wie die Wissenschaft auch bei uns seit Jahren vor Starkregen und Dürren, Erderwärmung und Klimawandel warnt. Und so wie übrigens auch die Medizin schon seit Jahren mit Virusmutationen und einer Pandemie gerechnet hat. Aber so eine Sintflut hat sich – genauso wie im Juli im Ahrtahl – niemand vorstellen können.
Doch Gott ergreift Maßnahmen. Noah soll ein riesiges Boot bauen, einen Überlebensraum. Ein Schiff, ein Traumschiff. Die Arche. Sie kennen die Geschichte: Der Regen kommt und spült alles fort. Noahs Familie ist die einzige, die überlebt. Die Vorkehrungen, die allen anderen unnötig und viel zu teuer erschienen waren, sie haben ihn gerettet, und Noahs Familie wird zur Keimzelle einer neuen Menschheit und Tierwelt. Denn die gehören dazu. Die Arche ist ausdrücklich auch für die Tiere konzipiert. Eine Rettung ohne die Tiere ist nicht denkbar, und es wird auch nicht unterschieden zwischen nützlichen Tieren und solchen, die als verzichtbar gelten. Die Arche als Überlebensraum funktioniert nur, wenn alle an Bord sind. Das gilt auch heute.
Noah ist so weise, dass er diese Anweisung von Gott ernst nimmt. Ohne die Tiere, ohne die Mitgeschöpfe, ohne die Kreatur gibt es kein weiteres Leben auf der Erde.
Inzwischen blutet die Erde aus vielen Wunden. Der UN-Klimabericht, der vor 2 Wochen vorgestellt wurde, macht deutlich, wie sehr die Situation drängt. Kohleausstieg, Energiewende – wir müssen anders leben, bescheidener, freundlicher, solidarischer. So wie bisher geht es nicht weiter.
Als Menschen, die auf die 65 oder 75 zugehen, kennen die meisten von Ihnen genau dieses Gefühl: so wie bisher komme ich nicht weiter. Ich schaffe nicht mehr so viel wie früher, alles geht nicht mehr so schnell. Dieses Gefühl kann einen Schreck einjagen. So wie bisher komme ich nicht weiter. Andererseits kann es antreiben, dass wir uns mit der veränderten Lage arrangieren. Die meisten lernen, langsamer zu leben. Andere trennen sich von Dingen, die früher wichtig waren, jetzt aber belasten. Gleichzeitig gewinnt anderes an Bedeutung. Viele merken, wie kostbar Begegnungen sind. Lebensqualität gewinnen wir weniger durch materiellen Reichtum als durch Beziehungen.
Wir sind älter geworden. Auch die Erde ist älter geworden und verletzt. So wie bisher können wir nicht mehr weiter. Doch wir sind allesamt Nachkommen von Noah, dem findigen Erbauer, der der Arche mit Gottes Hilfe so zusammenbastelte, dass sie am Ende tatsächlich funktionierte. Auch wir können vorausschauend Vorsorge treffen, damit das Leben unter uns weitergegeben werden kann. Auch wir können Lösungen finden für unseren verwundeten Planeten, Gottes gute Erde.
Ungewöhnliche Zeiten erfordern ungewöhnliche Maßnahmen. Als Noahs Kinder sind wir lernfähig. Wir können uns anpassen und dazulernen. Neurologie und Psychologie haben nachgewiesen, wie das Gehirn bis ins hohe Alter neue Synapsen bilden kann. Wir können uns umstellen, bis zum Lebensende. Den meisten Menschen gelingt das auch. Sie passen sich an und leben im Alter genau das, was auch global gesehen immer wichtiger wird: bescheidener, freundlicher, solidarischer, dankbarer. Das uns das gelingt, nicht nur persönlich, sondern vor allem auch auf unserer Erde, dazu möge göttliche Geistkraft uns ermutigen und segnen. Gott verspricht: Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.
Predigt zur Goldenen Konfirmation 2021
Andere Predigten zur Goldenen Konfirmation
Andere Predigten im Jahreslauf
Weitere Predigten zur Noah-Geschichte: Bündnis Regenbogen Friedenstaube und Pfingstfenster
Geschichte von Noah zum Vorlesen (stark gekürzt)
Gott sah, dass die Bosheit der Menschen groß war und dass Gewalt die Erde erfüllte, und er bereute, dass er sie geschaffen hatte. Da sprach Gott zu Noah: Mache dir einen Kasten aus Holz, bau Zellen hinein und dichte ihn von innen und außen mit Asphalt ab. Du sollst in den Kasten gehen, du selbst, deine Söhne, deine Frau und die Frauen deiner Söhne. Und von allem, was lebt, sollst du je zwei in den Kasten bringen. Von allen Vögeln nach ihrer Art, von dem Vieh nach seiner Art, von allem, was auf der Erde kriecht. Und Noah tat alles, wie Gott es ihm befohlen hatte, und ging in die Arche. Die Fenster des Himmels öffneten sich, die Brunnen der große Tiefe taten sich auf. 40 Tage und 40 Nächte strömte Regen auf die Erde. Die Wasser schwollen an und bedeckten alle Berge und Hügel. Alles Leben starb. Übrig blieb nur Noah und was mit ihm in der Arche war. Als die Wasser sich verlaufen hatten, öffnete Noah das Fenster der Arche und ließ einen Raben hinaus. Der kam zurück. Danach schickte er eine Taube hinaus. Auch sie kam zurück. Nach sieben Tagen ließ er die Taube wieder hinaus. Als sie am Abend zurückkam, trug sie ein abgerissenes Ölbaumblatt im Schnabel. Noah wartete noch einmal sieben Tage. Dann öffnete er das Dach und alle gingen aus der Arche. Noah baute einen Altar und dankte Gott. Ein Regenbogen erschien am Himmel. Gott sprach: Meinen Bogen setze ich in die Wolken, der soll ein Zeichen sein für den Bund zwischen mir und der Erde. Ich will die Erde nicht mehr verfluchen um der Menschen willen. Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht. Aus 1. Mose 6-9
Gefällt mir:
Like Wird geladen …