Wasserfluten, so weit das Auge reicht. Wolkenbruch, Überschwemmung, Tsunami. Fassungslos sehen die Menschen, wie die Trümmer ihrer Existenz an ihnen vorbeitreiben. Warum, rufen sie verzweifelt. Warum gerade ich, warum gerade mein Haus. Zurück bleiben stumme, entsetzte Gesichter.
Solche Katastrophen hat es seit Menschengedenken gegeben. Das Gilgamesch-Epos erzählt davon und später auch die Sintflut-Geschichte in der Bibel. Die Menschen suchen Antworten. Manchmal suchen sie Sündenböcke. Die kommen oft aus Gruppen, die sowieso am Rand stehen. Hexen. Die jüdische Weltverschwörung. Im 19. Jahrhundert galten Freimaurer, Katholiken (oder Evangelische, je nach Mehrheitsreligion) als suspekt. Kommunismus, Homosexuelle oder Feminismus sind schuld am Untergang von Moral und Glauben und haben dadurch das Gottesgericht heraufbeschworen, um das es sich zweifellos handelt. Diese Erklärungsmuster ziehen bis heute, sogar in „aufgeklärten“ Gesellschaften wie den USA. Homosexualität und Abtreibung seien verantwortlich für die militärischen Niederlagen im Irakkrieg. Und Haiti sei bis heute verflucht, weil dort 1804 während des Sklavenaufstandes ein Pakt mit dem Teufel geschlossen worden sei, wird in fundamentalistischen Kirchen gepredigt. Im Internet sind sich User in rechten Foren einig, dass unser Land von einer Einwanderungsflut überrollt wird. Kommentare verbreiten sich darüber, dass der Untergang des Abendlandes vor der Tür stehe, und schuld seien „die Gutmenschen“.
Aber es gibt kein Gottesgericht. Jedenfalls nicht nach der Geschichte von der großen Flut in der Bibel. Ich werde die Erde nicht mehr verfluchen um der Menschen willen, verspricht Gott. Im Gegenteil: Gott schließt ein Bündnis mit allem, was auf der Erde lebt, mit Menschen und Tieren. Als Symbol wählt Gott den Regenbogen. Meinen Bogen habe ich in die Wolken gesetzt; der soll das Zeichen sein des Bundes zwischen mir und der Erde. Und wenn es kommt, dass ich Wetterwolken über die Erde führe, so soll man meinen Bogen sehen in den Wolken. Alsdann will ich gedenken an meinen Bund zwischen mir und euch und allem lebendigen Getier unter allem Fleisch, dass hinfort keine Sintflut mehr komme, die alles Fleisch verderbe. Darum soll mein Bogen in den Wolken sein, dass ich ihn ansehe und gedenke an den ewigen Bund zwischen Gott und allem lebendigen Getier unter allem Fleisch, das auf Erden ist. Und Gott sagte zu Noah: Das sei das Zeichen des Bundes, den ich aufgerichtet habe zwischen mir und allem Fleisch auf Erden. (1. Mose 9, 13-16)
Aus dieser Geschichte mit der Friedenstaube kommen alle unsere Regenbogen- und Peace-Fahnen. Er wölbt sich über den ganzen Erdkreis. Er strahlt in vielen Farben, so bunt, wie wir Menschen sind. Alle sind dabei. Er ist ein Zeichen der Friedens, der Hoffnung und der Liebe Gottes. Vor allem Ausgegrenzte haben das begriffen. In der Reformationszeit sammelten sich die Bauern um die Regenbogenfahne. Heute ist sie weltweit das Hoffnungs- und Ermutigungssymbol der queeren Community. Wenn an einem Rathaus die Regenbogenfahne gehisst wird, ist das ein Zeichen: Hier seid ihr willkommen, hier entwürdigt euch niemand, hier werden Beleidigungen und Übergriffe nicht geduldet.
In der Bibel verspricht Gott: Ich will die Erde nicht mehr verfluchen um der Menschen willen. Unter diesem Regenbogen sollen alle wissen: Naturkatastrophen sind nicht gottgemacht oder gottgewollt. Kein Hochwasser, kein Wirbelsturm, kein Erdbeben ist als Strafe Gottes zu verstehen. Auch wenn selbst Gott manchmal am liebsten selbst dreinschlagen würde, weil so viel Gewalt zum Himmel schreit, die Menschen einander und der Schöpfung antun: Gott schickt kein Strafgericht. Er ist nicht an einem Weltuntergang interessiert. Der würde zudem pauschal alle treffen. Später wird Jesus sagen: Gott lässt die Sonne aufgehen über Böse und Gute und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte (Mt 5,45).
Die Menschen damals kannten viele Zusammenhänge in der Natur nicht, die wir heute wissenschaftlich erforscht haben. Inzwischen ist uns klar, dass Dürresommer, Starkregen und Überschwemmungen auch mit unserem Lebenswandel zu tun haben. Wir begradigen Flüsse. Wir betonieren Äcker und Wissen zu, in denen Wasser notfalls versickern könnte. Wir verbrauchen zu viel Energie und müllen die Meere zu. Die ersten Fidschi-Inseln versinken schon im Pazifik. Alarmzeichen gibt es also genug. Wir haben das Schicksal unserer Erde selbst in der Hand.
Die Menschen damals kannten keine Klimastatistiken, die sie über eine drohende Katastrophe hätte informieren können. Nur Gott hat Noah vor der Sintflut gewarnt. Die Leute um ihn herum haben die Familie ausgelacht. Aber die hat sich nicht der Meinung der Mehrheit gebeugt. Noah hat angefangen, die Arche zu bauen. Noahs Familie und die Tiere überlebten. Die Taube kehrte mit einem Ölzweig im Schnabel zur Arche zurück. Es gab wieder Leben auf der Erde. Sie stiegen aus, bauten einen Altar und dankten Gott. Wie reagieren wir heute?
Der Regenbogen kann uns daran erinnern, dass uns die Erde geschenkt ist und dass wir sie hüten und bewahren. Gott hat einen Bund mit dem Leben geschlossen. Bündnis Regenbogen.
Ich finde interessant, dass die Tiere ausdrücklich erwähnt werden. Die Tiere sind Teil des Bündnisses und werden in einem Atemzug mit den Menschen genannt. Sie stehen nicht über ihnen, sondern auf einer Stufe mit den Menschen. Sie waren vor der Flut gerettet worden. In der Arche gehörten sie zu Noahs Überlebensgemeinschaft und werden auch jetzt in das Bündnis eingeschlossen. Die moderne Medizin entdeckt, wie viele winzige Bakterien unsere Haut und unser Inneres bevölkern und dass sie Teil unseres Organismus sind. Je vielfältiger die Bakterien in uns gedeihen, desto widerstandsfähiger sind wir gegenüber den schädlichen, die uns krankmachen. Wir Menschen existieren also in einer Symbiose mit unzähligen winzigen Lebewesen. Das konnten die Menschen damals natürlich noch nicht wissen. Aber sie wussten: Gottes Regenbogen wölbt sich über alle, über Mensch und Tier. Zum Schluß noch ein Gedicht von Tina Willms. (s.u.)
Predigt am 20. Sonntag nach Trinitatis über 1. Mose 8,18-22; 9,12-17
Andere Predigten in der Trinitatiszeit
Übersicht über das Kirchenjahr
Predigt zur Goldenen Konfirmation über Noah
Besuch
An manchen Tagen
kommt der Himmel zu mir
ein gern gesehener Gast
Er sät Ermutigung
in meine Gedanken
streut Licht
auf meine Pläne
und nährt mich
mit Sehnsuchtsbrot
Meinen Fragen
lässt er Raum
unter seinen Händen
schmelzen die Zweifel
er wischt sie auf
und wringt sie aus
Er schenkt mir
Hoffnungssträuße
die duften nach Bleiben
und ihre Farben fallen
mir leuchtend
aus Auge und Hand Tina Willms