Friedensklima – Friedensdekade 2019

Friedensklima – Friedensdekade 2019 und Einführung des Gemeindekirchenrates
Wie ist das Klima in unserer Gemeinde, in unserer Stadt, in unserem Land, in unserer Familie? In diesem Jahr wurde viel über das Klima geredet. Der Sommer war wieder zu trocken. Am 30. Oktober hat Leipzig – als 64. deutsche Stadt – den Klimanotstand ausgerufen. Auf der ganzen Welt gehen Schüler*innen für das Klima auf die Straße. Nicht alle finden das sinnvoll, aber einige betrachten das als Freibrief, beleidigende Kommentare zu verfassen und das Internet mit hasserfüllten, frauenverachtenden Posts zu fluten.

Ein junger Mann aus unserem Landkreis wütet gegen Zuwanderung, gegen Feminismus und nicht-weiße Menschen. Er bastelt sich Waffen und erschießt zwei Menschen. Es hätte auch eine Moschee oder ein linkes Zentrum sein können. Aber „der Jude“ ist an allem schuld. Der Junge hat regelmäßig Schach gespielt und ist auf das Martin-Luther-Gymnasium in Eisleben gegangen. Die Mutter ist Lehrerin.

Friedensklima heißt die Friedensdekade in diesem Jahr. Der Friede auf unserer Erde, der Zustand unserer Schöpfung und die Art, wie wir miteinander umgehen, hängen zusammen. Wo Panzer rollen, kommen auch die Tiere unter die Räder und die Ernte geht in Flammen auf. Wenn die Äcker nichts mehr tragen, ziehen die Menschen weg und suchen sich Orten und Länder, in denen sie besser leben können. In heruntergekommenen Wohngegenden wird schneller geplündert, gedeihen Unruhen und Aufstände.

Die Propheten in der Bibel bringen nicht nur Unrecht und Gewalt auf den Tisch. Sie setzen auch die Visionen einer besseren Welt entgegen, der Welt Gottes. Alle werden unter ihrem Weinstock wohnen und unter ihrem Feigenbaum – und niemand wird sie aufschrecken (Micha 4,4). Weil der eigene Garten reichlich trägt, muss niemand neidisch nach nebenan schielen, und es muss auch niemand fürchten, bestohlen zu werden. Sie haben keine Angst voreinander, sie vergessen, aggressiv zu sein. Aus den Spießen schmieden sie sich Winzermesser. So hat sich Gott die Welt wohl gedacht.

Mir fällt auf, dass die Propheten zwei Phänomene beschreiben. Die Menschen sind zu-frieden. Sie blicken auf das, was sie haben, und nicht auf das, was ihnen fehlt. Und sie haben keine Angst. Beides scheint mir wichtig für ein Friedensklima in unserem Land: das wertschätzen und mit dem umgehen, was wir haben, und eine angstfreie Atmosphäre verbreiten. Beides fehlt den Leuten, die im Internet herumtoben. Sie fühlen sich zurückgesetzt, als Deutsche, als Ossis, als „weißer Mann“ wie der 27-jährige Mörder von Halle. Und sie schüren Ängste und Verunsicherung.

Zufrieden werden und Ängste abbauen, beides können wir trainieren. Wir leben in einem der reichsten Länder der Welt und die meisten von uns haben mehr als genug. Wir können gut auskommen mit dem, was vorhanden ist. Wir brauchen uns nicht Bedürfnisse aufschwatzen lassen, die wir gar nicht haben, oder kaufen, nur weil es der letzte Schrei ist. Würde es uns stattdessen nicht sogar besser gehen, wenn wir weniger hätten, was uns belastet? Gesünder für die Umwelt wäre es mit Sicherheit und beförderte buchstäblich das Friedensklima. Wenn wir gelassener und zufriedener werden, fällt vielleicht manche Angst ganz von allein von uns ab. Die Angst, uns würde etwas weggenommen, andere würden uns das Wasser abgraben oder wir wären nicht anerkannt.

Damit können wir dazu beitragen, dass wieder ein gutes Klima in unserem Land einzieht. Gott hat uns einen Geist der Freiheit geschenkt. Wir brauchen Hetze und Verächtlichmachung keinen Raum überlassen. Menschen, die schutzlos sind oder irgendwie anders, können wir das Gefühl geben: ihr braucht keine Angst haben. Ihr gehört dazu und seid willkommen. Gott hat allen eine Würde und einen Wert gegeben. Ihr sollt spüren, dass wir eure Würde tatsächlich achten und beschützen.

Friedensklima, das kann auch ein gutes Motto für die Zusammenarbeit im Gemeindekirchenrat sein, also angstfrei und wertschätzend. Wenn die Atmosphäre stimmt, macht die Arbeit mehr Freude. Es kommt mehr heraus, es gibt weniger Reibungsverluste. Es geht nicht darum, immer einer Meinung zu sein. Wir würden ärmer, wenn alle nur noch das gleiche denken. Die Vielfalt, die in uns allen steckt, macht uns reich. Wir können sie fruchtbar machen.

Gemeinde hat Raum für viele. Das macht sie anziehend. Hier ist Platz für mich, für meine Interessen. Ich bin gefragt, ich kann mitgestalten. Ich brauche keine Angst haben, etwas falsch zu machen. In der Jacobigemeinde ist eine lange und gute Kultur des Miteinanders gewachsen und das ist ihr abzuspüren. Es tut uns allen gut, wenn wir uns immer wieder in dieses Klima hineinnehmen lassen und darin wachsen. Das wünsche ich uns allen und dem Gemeindekirchenrat für die nächsten sechs Jahre besonders.

Gottesdienst zur Eröffnung der Friedensdekade 2019 und zur Einführung des Gemeindekirchenrates

Andere Predigten in der Friedensdekade
Hier: Predigten im Jahreslauf

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