Frauen begleiten Jesus auf seinem letzten Weg. Sie stehen am Wegesrand und lassen ihn nicht allein. Auf dem letzten Weg begleiten, das machen Frauen immer wieder. Sie kümmern sich um Alte, pflegen Behinderte, halten Sterbenden die Hand. Sie waschen die Toten, sorgen für Kinder, die allein zurückbleiben, ordnen Hinterlassenschaften, lösen den Haushalt auf. Sie fühlen sich verantwortlich, auch wenn alle anderen schon weg sind.
Frauen begleiten Jesus auf seinem letzten Weg. Wenn niemand anderes mehr da ist, die Frauen sind es. Die Männer haben ihn alleingelassen. Sie hatten Angst, sind geflohen, haben Jesus verleugnet wie Petrus. Die Frauen wagen sich bis unters Kreuz und harren bei ihm aus, bis zum letzten Atemzug.
Immer wieder müssen wir Menschen hergeben und uns von ihnen verabschieden. Auch manche von Ihnen werden Sterbende begleitet haben. Sie haben Menschen die Augen zugedrückt und die toten Glieder ein letztes Mal gestreichelt.
Wir erinnern uns an sie, so wie wir uns in der Passionszeit an Jesus erinnern. Ihre Gesichter ziehen an unserem Auge vorbei, so wie bei den Frauen, die damals am Wegrand standen.
Jesus nimmt die Frauen wahr. Jesus ahnt, was sie alles tragen. Jesus sieht, wie sie versuchen zu helfen, wie sie lindern und trösten. Jesus nimmt wahr, wie oft sie Tränen abgewischt haben, wie oft sie in ausweglosen Situationen anderen Mut gemacht haben, obwohl ihnen oft selbst schwer ums Herz war. Irgendwann müssen sie an sich selbst denken. Ihr Töchter von Jerusalem, weint nicht über mich, sondern weint über euch selbst und über eure Kinder. (Lukas 23,28)
Gerade für Frauen ist es wichtig, daß sie sich auch um sich selbst kümmern und nicht immer nur um andere. Was sie selbst haben hergeben müssen, was nicht gelungen ist, will betrauert werden. Die Last, die im Laufe der Jahre immer schwerer geworden ist. Die Tränen, die sie hinuntergeschluckt haben, um anderen nicht das Herz schwer zu machen. Die Bitterkeit über Beziehungen, die sie nicht haben retten können. Vielleicht kennen Sie das auch. Ihr Töchter von Jerusalem, weint nicht über mich, sondern weint über euch selbst und über eure Kinder.
Weinen tut gut. Wer das Traurige immer nur in sich hineinfrißt, kann leicht griesgrämig und unausstehlich werden. Auch uns tut es gut zu weinen. Im Leben ist ja auch vieles kaputtgegangen. Und hier im Pflegeheim haben Sie sich von vielem verabschieden müssen, immer wieder. Dafür ist auch Raum in der Passionszeit, in der Leidenszeit. Wir müssen uns nicht immer nur um andere kümmern. Die Frauen dürfen auch alle den eigenen Verlust und Schmerz betrauern. Ihr Töchter, weint. Jesus selbst trägt es ihnen auf. Die Frauen, die weinen, werden die ersten am Ostermorgen sein. Sie sind die ersten, die erleben: Jesus lebt.
Andacht (nicht nur) im Pflegeheim in der Passionszeit
Hier zu anderen Predigten und Andachten in der Passionszeit
Lukas 23,27-30 Auf dem Weg nach Golgatha folgte Jesus eine große Volksmenge und Frauen, die klagten und beweinten ihn. Jesus wandte sich zu ihnen um und sagte: Ihr Töchter von Jerusalem, weint nicht über mich, sondern weint über euch selbst und über eure Kinder. Es wird die Zeit kommen, in der man sagen wird: Selig sind die Unfruchtbaren und die Leiber, die nicht geboren haben und die Brüste, die nicht genährt haben. Dann werden sie anfangen, zu den Bergen zu sagen: Fallt über uns! und zu den Hügeln: Bedeckt uns!
Liedvorschlag: Nun danket alle Gott (Melodie EG 321, Text Gerhard Schöne)
Nun danket alle Gott
mit Herzen, Mund und Händen,
die uns so liebevoll
beschenkt an allen Enden.
Die zärtlich uns umhüllt,
uns birgt in ihrem Schoß,
wenn uns so elend ist,
so weh und heimatlos.
O Gott mein großes Glück,
dein Lieben hat kein Ende.
Du hältst mich nicht zurück,
wenn ich mich von dir wende.
Doch wenn ich ausgebrannt,
verzweifelt schrei nach dir,
kommst du mir nachgerannt
und heilst die Wunden mir.
Mein Gott, ich freu mich so,
wenn ich dich bei mir spüre,
und werde nicht mehr froh dann,
wenn ich dich verliere.
Bleib in mir, wertes Licht,
lass lachen meinen Mund,
erhelle mein Gesicht
und küss mein Herz gesund.
Gerhard Schöne
Bilder: Patchwork-Arbeiten eines Frauenprojektes in Chile auf liturgischer Stola (Schweißtuch der Veronika; Kreuzigung; Kreuzabnahme; Maria von Magdala teilt das Abendmahl aus)