Unendlich weit spannt sich der Himmel. Die Sterne funkeln. Das Universum dehnt sich weiter aus, blitzschnell, oder es pulsiert, so wie das Blut in uns. Galaxien, deren Größe wir nur in Lichtjahren bemessen können, ziehen genauso auf ihren Bahnen wie all die winzigen Teile, die nur unser Gehirn zu erfassen mag, niemals unsere Augen: Elektronen, Neutronen und Neutrinos. Atome, die Hunderte von Jahren ihre Strahlung aussenden, bis sie zerfallen. Winzige Teilchen wie die Higgs, deren Existenz erst in unsesrem Jahrtausend entdeckt wurden und die dafür sorgten, daß das Universum zu Materie wurde, damals, als die Zeit geboren wurde. Weiterlesen →
Rupfi war vor ein paar Jahren der am meisten bedauerte Weihnachtsbaum Deutschlands. Rupfi hieß der Weihnachtsbaum auf dem Erfurter Weihnachtsmarkt. Er hatte eine eigene Facebookseite und 6200 Follower (24.12.2018). Es war ihm anzusehen, wie der trockene Sommer seinen Zweigen und Nadeln zugesetzt hatte. Doch Spott und Hohn über die „lichte Fichte“ waren schnell umgeschlagen. „Wir lieben ihn, weil er nicht perfekt ist“, hieß es im Internet. Bald fotografierten sich die Leute vor dem Baum, kauften Rupfi-Anstecker, deren Erlös dem Kinder-Hospiz in Tambach-Dietharz zugutekam, und diskutierten im Facebook über innere Werte. „Zu Weihnachten muss nicht alles perfekt sein. Das Leben hat Brüche. Und Rupfi eben auch.“ Der Klimawandel war auf dem Weihnachtsmarkt angekommen. Weiterlesen →
HALLÖCHEN, ihr Lieben, alle meine Followerinnen und Follower. Schön, dass ihr alle wieder da seid. Hier ist die Sissy mit unserer neuesten Folge von „Gefährliche Orte der Welt – funny & crazy“, diesmal aus dem Nahen Osten. Ich bin für euch nach Israel gereist. Heute Morgen bin ich in Jerusalem angekommen. Das war gar nicht so einfach, wegen Gaza und so. Überall noch Militär, und dazu die langen Schlangen an den Einlasskontrollen – echt nervig. Doch ihr seht, ich habe es geschafft.
Hinter mir läuft ein crazy Contest, der ist echt abgefahren. Also es geht darum, wer am schnellsten einen Blinden heilt. Weiterlesen →
Am 9. Oktober 2019 griff ein junger Mann aus unserem Landkreis die Synagoge in Halle an, tötete zwei Menschen und verletzte andere. Den Tag hatte er bewußt gewählt: Jom Kippur, der höchste jüdische Feiertag. Er hat sich intensive mit dem jüdischen Glauben beschäftigt. Aber nicht, um Brücken zu schlagen, sondern aus Haß. Der Antisemitismus, den christliche Kirchen Jahrhundert um Jahrhundert gepredigt haben, wirkt weiter.
An uns Christ*innen ist es, uns einzugestehen, daß wir daran mitverantwortlich und mitschuldig sind. Wir beten mit Worten aus Psalm 130.
Was ist Jom Kippur? Die Polizei hätte vor einem Jahr die Synagoge bewachen müssen, wird kritisiert, und die Polizist*innen hätten wissen müssen, daß die Menschen in der Synagoge nichts gegessen haben, als sie sie nach dem Anschlag in den Bus gebracht haben. Selbst von der Polizei wird heutzutage also erwartet, dass sie sich mit jüdischen Feiertagen auskennt. Wie sieht das bei uns aus, bei Gemeindemitgliedern? Immerhin sind wir die nächsten Religionsverwandten. Jedenfalls ist das Christentum aus dem Judentum hervorgegangen. Was wissen Sie über Jom Kippur?
[Vorlesen von Informationen zu Jom Kippur, siehe unten * ]
Der Täter von Halle stammt aus unserem Landkreis. Er ist in unserem Umfeld groß geworden, ist in Eisleben auf’s Gymnasium gegangen, die Mutter hat an einer Grundschule Ethik und Kunst unterrichtet. Er ist – wie Martin Luther – ein „mansfeldisch Kind“. Er hat sich das Ziel seines Anschlags genau überlegt. Zur Auswahl standen auch Moschee und Antifa-Zentrum. Er haßt selbstbewußte Frauen, Feminismus, Islam, Zugewanderte. Dafür macht er das Judentum verantwortlich.
Wie kommt es, daß in unserer Umgebung ein junger Mensch so viel menschenfeindliche Vorstellungen kultivieren kann und niemand hellhörig wird, nicht im Kindergarten, nicht in der Grundschule, nicht in den Arbeitsgemeinschaften auf dem Gymnasium, nicht in der Nachbarschaft?
Was für ein Klima in unserem Landkreis herrscht, könnten uns Menschen sagen, die Angst haben und gegen die hergezogen wird auf der Arbeit, am Biertisch, in der Schule. Worte sind nicht Schall und Rauch. Aus Gedanken sind am 9. Oktober 2019 Taten geworden.
Jom Kippur heißt Versöhnungstag. Anders als in den christlichen Kirchen wird die Bitte um Vergebung im Gottesdienst in der Wir-Form gesprochen. Nicht nur einzelne haben sich verfehlt. Die ganze Gemeinschaft bekennt sich schuldig, es ist ein kollektives Schuldeingeständnis. Alle sind mitverantwortlich. Und sei es, daß sie geschwiegen haben. Wie verhalten wir uns beispielsweise, wenn Witze gerissen werden über verletzliche Gruppen und Minderheiten?
Ein Versöhnungstag könnte auch uns gut tun. Ein Tag der Versöhnung und Reue, an dem wir über unsere kollektive Verantwortung nachdenken, um Verzeihung bitten und überlegen, wie wir uns als Gemeinschaft anders verhalten können. An so einem Tag könnten wir uns bewußt machen, wo unter uns Abwertung und Vorurteile gedeihen und welche Konsequenzen sie haben. Es gehört Mut dazu, wenn wir Schuld nicht auf einen einzelnen abschieben und ihn zum Täter machen, sondern uns eingestehen: wir alle haben versagt. Als Menschen im Landkreis, in unseren Dörfern und Städten, als Zivilgesellschaft.
Foto: W.Cug
Und in den Kirchengemeinden wollen wir uns damit auseinandersetzen, wie christliche Verkündigung zum Antisemitismus beigetragen hat, z.B. wie wir über Altes Testament reden, welche Klischees wir von Pharisäer*innen verbreiten. Und wir können überlegen, wie wir zukünftig so von Gott oder von Jesus reden, daß niemand abgewertet und diskriminiert wird.
Der kollektiven Reue und Umkehr ein Fest zu widmen und ein Versöhnungsfest zu begehen, wäre eine Idee, die uns gut zu Gesicht steht. Der Anstoß kommt aus der jüdischen Tradition. Amen.
Lesung: Jesaja 58,6-8 (Ist nicht das ein Fasten, an dem ich Gefallen habe: Lass los, die du mit Unrecht gebunden hast…)
** Jom Kippur heißt Versöhnungstag oder Versöhungsfest. Es wird 10 Tage nach dem Neujahrsfest begangen, am 10. Tag des jüdischen Monats Tischri. Am Neujahrstag schlägt Gott drei Bücher auf und die Menschen legen Rechenschaft ab. Ins erste werden die ganz „Gerechten“ eingetragen, die sofort das „Siegel des Lebens” erhalten. Ins zweite Buch werden die ganz „Schlechten“ eingeschrieben. Das dritte Buch ist für die Durchschnittsmenschen bestimmt. Über sie bleibt das Urteil bis zum Versöhnungstag offen. In diesen zehn Tagen können sie bereuen, einander um Verzeihung bitten, Gutes tun und sich verändern. Am Jom Kippur wird das Urteil, das am Neujahrsfest gefällt wurde, besiegelt und bekommt damit Gültigkeit. Der Versöhnungstag ist ein Tag der Reue, der Buße und Umkehr.
Wie alle jüdischen Feste beginnt es am Vorabend, vor Sonnenuntergang. Beim Abendgebet wird das Kol Nidre gesprochen. Am Morgen wird ein Abschnitt aus dem Jesajabuch gelesen, und der Gottesdienst in der Synagogen dauert bis zum Abend.
In Israel bleiben Restaurants und Cafés geschlossen und das öffentliche Leben steht still. Nur Krankenwagen und Feuerwehr sind unterwegs. Säkulare Jüd*innen begannen in den letzten Jahrzehnten, diese Situation für Fahrradtouren auf den leeren Autobahnen zu nutzen. Die meisten Jüd*innen fasten. Es gilt als unhöflich, am Jom Kippur in der Öffentlichkeit zu essen oder Musik zu hören. Ein Widderhorn, der Schofar, kündigt den Sonnenuntergang an. Das Fest endet mit dem Mondsegen im Freien und einem festlichen Essen, das “Anbeißen”. Die Menschen wünschen sich gegenseitig ein glückliches Jahr und gute Besiegelung. (Informationen z.T. wörtlich aus Wikipedia zu „Jom Kippur“)
Das Los ist mir auf ein liebliches Erbteil gefallen (Psalm 16,6). Fünf Frauen haben erkämpft, dass auch Frauen erben dürfen. Jedenfalls im Alten Israel. Und nur, wenn es keinen Sohn gibt.
Aber auch heute ist es nicht überall selbstverständlich, dass Frauen erben dürfen. Manchmal werden sie einfach weggeschickt. Oder sie werden weiterverheiratet, an den nächsten Sohn. Die Familie hat schließlich einen Brautpreis für sie bezahlt. Weiterlesen →
Tief ist der Brunnen der Vergangenheit. Sollte man ihn nicht unergründlich nennen? So beginnt Thomas Mann die Geschichte von Josef und seinen Brüdern. Sie führt uns zurück in die Zeiten des Anfangs, des Wanderns, des Unterwegsseins. Sie führt uns zurück zu den Ursprüngen des jüdischen Glaubens, die auch unsere Wurzeln sind.
Tief ist der Brunnen der Vergangenheit. Wenn wir uns über seinen Rand beugen und unseren Blick für die Tiefe schärfen, erblicken wir auf seinem Grund gleichzeitig uns selbst. Weiterlesen →
„Gehe aus deinem Haus und deiner Verwandtschaft in ein Land, das ich dir zeigen will.“ Jugendliche spricht diese Geschichte immer wieder an. Das Lied „Geh, Abraham geh“ war jahrzehntelang ein Hit in der Jugendarbeit. Leute ziehen in die Ferne, weg von zuhause. So etwas wird eher Jugendlichen zugeschrieben, dass sie die Welt erobern, dass sie Ideale im Kopf haben und leben, Alternativen suchen. Abraham und Sara – etwas für junge Leute?
Wenig später erzählt die Bibel, wie alt Abraham und Sara gewesen sein sollen, als diese Story begann: 75 und 65 Jahre! Hey! Stellen Sie sich das heute vor, bei Leuten aus Ihrer Umgebung. Bei einem älteren Herrn über 70, bei einer Dame Mitte 60. Die werden plötzlich mobil, brechen alle Brücken hinter sich ab, fangen etwas Ungewöhnliches an. Weiterlesen →
Manchmal geht ein Kind einfach weg. Aus Neugier. Weil da etwas ist, was es fasziniert und anzieht, etwas, von dem es merkt: dem muß ich jetzt nachgehen. Manchmal kommen Kinder auf diese Weise Geheimnissen auf die Spur, erstaunlichen oder auch schrecklichen. Meistens kommen sie mit tausend Fragen von ihren Ausflügen zurück, erfüllt oder verwirrt. Was sie erlebt haben, verändert sie ein klein wenig und läßt sie wachsen. Weiterlesen →
Haben Sie schon einmal die Geburt einer Blume erlebt? Es war kurz vor meinem sechsten Geburtstag, an den Straßenrändern blühte der Mohn. Morgen früh wirst du etwas ganz Besonderes sehen, kündigte meine Mutter an. Kurz nach vier holte sie mich aus dem Bett, packte mich in einen Bademantel und setzte mich an den Küchentisch. Sie holte eine Vase. Ein paar Stengel mit dicken grünen Knospen waren darin. Mohnblumen, die noch nicht aufgegangen waren. Nur ein bißchen rot lugte es schon hervor zwischen den grünen stachligen Blättern, die die Blüte umschlossen. Weiterlesen →