Diese Inschrift habe ich manchmal an alten Häusern gelesen. Meistens stehen die Initialen dabei und die Jahreszahl. Ich überlege dann immer, warum die Leute gerade diesen Spruch gewählt haben und welche Ängste und welche Hoffnungen sie bewegt haben mögen.Vielleicht hat ein Stadtbrand eine Spur hinterlassen oder plündernde Soldaten. Vielleicht soll das neue Haus aber auch vom Stolz darüber erzählen, dass das Geschäft gut gediehen und die Familie gewachsen ist.

So oder so – auf jeden Fall waren sie sich dessen bewusst, dass das Gelingen nicht allein in ihrer Hand liegt. Wie schnell kann ein Haus einstürzen, ein Lebenswerk zerrinnen. Aber selbst ein solider Bau: was ist er wert, wenn Unglück oder Streit darin wohnen? So manches schicke Haus ist nur hohle Fassade – auch heute. Wenn sich das herausstellt, ist es oft zu spät.
Die Leute, die sich diesen Spruch aussuchten, wussten, dass sie eine Verantwortung haben. Wir leben nicht nur für uns selbst, sondern sind Teil einer Gemeinschaft, zu deren Wohl und Wehe wir beitragen. Was wir für uns entscheiden und (auf)bauen, hat Auswirkungen auf das Ganze. Auch beim Hausbau.
Eigene vier Wände – das heißt heutzutage oft ein Eigenheim am Rand der Stadt oder des nächsten Dorfes. Was für die Besitzer ein Traum sein mag, wird sich für die Gesellschaft langfristig möglicherweise als verhängnisvoll erweisen. Der Energieverbrauch ist – da jedes Haus einzeln steht – hoch, das Land wird zersiedelt. Werden sich tragfähige Nachbarschaften und soziale Netze entwickeln in diesen Siedlungen, die tagsüber meist leer stehen? Denn die Familien müssen für die Rückzahlung ihrer Kredite alle Kräfte aufbringen und arbeiten außerhalb. Größeren Städten wie Halle bereiten solche Speckgürtel im Umland inzwischen riesige Probleme.
Und in Sangerhausen? Bei uns werden neuerdings alte Häuser platt- und zu Parkplätzen gemacht. In der Göpenstraße mehren sich die Schilder „Zu verkaufen“, während bei Neubaublöcken im Othal und in West der Bagger anrückt.
Wenn der Herr nicht das Haus baut, so arbeiten umsonst, die daran bauen. So ist es. Unsere Städte könnten anders aussehen, wenn wir uns solche Worte vor Augen halten. Wir bauen nicht für uns allein. Nicht nur die Stadtplaner, sondern wir alle tragen Verantwortung für das Ganze, für die, die nach uns kommen, für die Schöpfung. Was wir so planen, entscheiden und bauen, das könnte Bestand haben und so solide sein wie die Häuser von vor 300 Jahren, deren Inschriften uns heute noch erfreuen und mahnen.
Wenn der Herr nicht das Haus baut, so arbeiten umsonst, die daran bauen. Wenn der Herr nicht die Stadt behütet, so wacht der Wächter umsonst. (Psalm 127,1)
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