Ich tu, was ich tu; und du tust, was du tust. Du bist du, und ich bin ich. Schön, wenn wir uns finden. (angelehnt an Fritz Perls) . Diesen Spruch hatte sich meine Kommilitonin Susanne an ihre Zimmertür gehängt, wohl weil er ihre Erfahrungen mit Beziehungen ausdrückte: Wie Menschen zueinander finden, aber wie sich die Wege auch wieder trennen. Auch unsere Ostergeschichte heute können wir als Beziehungsgeschichte lesen: Joh 20,11-18 **
Du bist du, und ich bin ich. Schön, wenn wir uns finden.
In unserer Ostergeschichte, einer von vielen, treffen zwei aufeinander, Jesus und Maria. Zwei treffen aufeinander, die schon eine Geschichte miteinander haben – eine Geschichte, die wir nur in Bruchstücken kennen oder eigentlich gar nicht. Denn was können Außenstehende eigentlich wissen über das, was andere miteinander bewegt und aneinander bindet. Warum es bei den einen klappt und es anderswo wie Hund und Katze zugeht, das begreifen manchmal ja nicht einmal die Beteiligten selber. Oft sind es Wunden, die tief in der Vergangenheit wurzeln, und wir kennen nur Ausschnitte davon. Von außen können wir die Dynamik einer Beziehung nur erahnen.
Auch von Maria aus Magdala und Jesus kennen wir nur Bruchstücke. Krank soll sie gewesen sein, und seine Nähe hat sie gesund gemacht. Von sieben Dämonen hat er sie geheilt, und fortan zog sie gemeinsam mit ihm durchs Land, sie erlebte ihn bis zum Schluss, bis zum Kreuz, hautnah. Ihr Name wird zuerst genannt, wenn von einer Frau die Rede ist. Aber wie nah sie sich waren und warum, das erfahren wir nicht.
Nicht dass sie miteinander gegangen wären. Davon erzählt die Bibel nichts. Aber sie haben sich etwas bedeutet, so wie wir uns als Eltern und Kinder, als Freunde, als Kolleg*nnen, Mitschüler*innen etwas bedeuten können.
Die beiden also, hier treffen sie (wieder) aufeinander. Sie begegnen sich. Unerwartet und doch gesucht – wie das manchmal so ist. Die wirklich wichtigen Momente, die Sternstunden, aber auch die zerrüttenden, die können wir suchen, wünschen oder fürchten. Doch wenn sie da sind, verlaufen sie oft ganz anders, als wir es uns vorgestellt und ausgemalt haben.
Die Ostergeschichte Marias erzählt von der Begegnung zweier, die sich voneinander entfernt haben. Ein Karfreitag liegt zwischen ihnen. Jesus – gestorben, auferstanden, ein anderer, ein Fremder. Er ist anders geworden.
Wenn ein Mensch sich verändert, erscheint er uns erst einmal fremd. Es verwirrt uns, wenn jemand Vertrautes auf einmal mit neuen Ideen daher kommt oder für sich neue Horizonte entdeckt hat. Was bisher selbstverständlich war und ablief, ist auf einmal in Frage gestellt. Es kann sein, dass den anderen der Anschluss fehlt, und oft gibt`s dann Konflikte: in der Klasse, in einem Team, zwischen Kindern und Eltern, in der Partnerschaft.
Jesus – gestorben, auferstanden, ein anderer. Maria – was ist mit ihr? Hat auch sie sich entfernt, ist auch sie anders geworden? War die Entfernung eine gegenseitige? Die Engel im Grab fragen sie: Frau, warum weinst du? Sie sagte zu ihnen: Sie haben meinen Rabbi fortgenommen, und ich weiß nicht, wo sie ihn hingebracht haben. (20,13)
Jedenfalls: Jesus ist gestorben. Können wir das auch als Beziehungsgeschichte lesen: Er ist gestorben für sie. Sie läuft ihm hinterher, sie heult ihm nach, er fehlt ihr. Es ist das Ende für sie. Funkstille. Keine Verbindung mehr. Sie trauert vergangenem Glück hinterher. Selbst als er da ist und leibhaftig vor ihr steht, erkennt sie ihn nicht wieder. So hat er sich verändert in ihren Augen. Der Gärtner. Was soll sie mit einem Gärtner! Bring ihn zurück, den, den ich suche! Bring ihn zurück – aber du bringst ja doch einen Toten.
Doch dann: Er bricht das Schweigen. Er redet sie an, er spricht mit ihr. Er spricht wieder mit ihr. Sagt ihren Namen: Maria! Oder besser: Miriam! Sagt ihren Namen, tausendmal gehört, und sie antwortet: Rabbuni. Mein Meister, mein Lehrer, oder wie man’s deuten mag – es ist ihre Anrede, ihr Name für ihn, ihr Wort der Nähe. So sagt sonst niemand zu ihm, nur sie allein. Rabbuni: das gehört in die Geschichte, die die beiden miteinander haben. (Oder hatten?)
Da ist sie wieder, die Beziehung! Sie können wieder miteinander reden, so wie früher. Sie haben wieder einen Draht. Endlich. Miriam – Rabbuni. Es ist das Zauberwort, auch für sie. Er hat auch sie beim Namen genannt. Sie ist nicht nur eine Nummer, eine unter vielen. Sondern sie ist – auch für ihn – unverwechselbar. Ihr Name gibt ihr das Gesicht zurück.
Miriam – Rabbuni. Das trocknet die Tränen. Der Schlüssel zueinander.
Jesus eröffnet das Gespräch und löst die Verwirrung. Es tut gut, wenn der andere, die andere den ersten Schritt tut und das Schweigen bricht. Davor scheuen wir uns ja oft. Denn wenn wir etwas zeigen von uns, machen wir uns verletzlich und angreifbar, und davor haben wir Angst. Miteinander über die Beziehung ins Gespräch kommen, das kann das schwierigste überhaupt sein. Ist hier ein Unterschied zwischen Männern und Frauen? Frauen, so heißt es, möchten genauer miteinander übereinander reflektieren und leiden darunter, daß die Männer schweigen, während für die Männer alles viel klarer erscheint. Kann es sein, dass sie das Reden der Frauen eher nervig finden und schneller zur Tagesordnung übergehen möchten?
Miriam – Rabbuni. Dieser Mann Jesus lässt sich auf das Gespräch ein. Er blockt nicht ab, sondern er fängt sogar damit an und findet eine Ebene, die auch Maria zum Reden bringen.
Miriam – Rabbuni. Das trocknet die Tränen. Die Auferstehung, der Neubeginn angesichts des Todes. Das erlösende Wort, das sie wieder leben lässt, das die Beziehung wieder in Gang bringt. Ostern.
Aber dann gleich: Rühr mich nicht an. Noli me tangere. Komm mir nicht nahe, nicht jetzt. Halte mich nicht fest. Geh zu meinen Brüdern. Verkündige ihnen. Predige! Du!
Es ist Zeit für Maria. Es ist Zeit für sie zu gehen für sie. Jesus, das Leben selbst ruft sie weiter und fordert sie heraus. Verabschiede dich von dem, was war. Bleib nicht stehen, tritt nicht auf der Stelle, kleb nicht am Vergangenen. Geh vorwärts. Es ist Zeit für Maria. Zeit zu gehen, dass sie sich wandelt und stark wird.
Jesus traut es ihr zu, und sie packt es. Es heißt: „Maria aus Magdala kam und verkündete den Jüngerinnen und Jüngern: Ich habe Jesus den Lebendigen gesehen. Und dies hat er ihr gesagt.“ (20,18)
Auch für uns ist es immer wieder Zeit, weiterzugehen im Leben. Der Auferstandene ruft auch uns vorwärts. Geht, nach Galiläa, zu seinen Brüdern… Jedenfalls immer wieder vorwärts. Manchmal ist es hilfreich, wenn wir dazu einen Anstoß bekommen von außen, wenn uns jemand die Zeit ansagt und mit der Nase darauf stupst: Los! Mach dich nicht länger klein! Trau dich! Du schaffst es!
Du tust, was du tust… Du bist du… Schön, wenn wir uns finden.
Jesus fesselt Maria nicht an sich und an das, wie es früher einmal war zwischen ihnen: Verweile doch, du bist so schön.
Der Wunsch, etwas Schönes festzuhalten, steckt ja in uns allen. Was wir einmal gefunden und errungen haben, wollen wir nicht leichtfertig aufgeben. Aber damit neigen wir auch zu erstarren und nur noch Vergangenes zu zelebrieren. Dann hängen wir an dem, was einmal gewesen ist, und wir treten auf der Stelle.
Jesus nagelt Maria nicht fest auf die Rolle, die sie vorher hatte. Nein, er gibt sie frei. Er lässt sie ihren Weg gehen. Er bestärkt sie darin. Auch sie wird sich wandeln. Das bedeutet auch, dass ihr Verhältnis sich wandelt. Aber ihre Beziehung zerbricht nicht etwa an dieser neuen Weite. Sondern sie finden eine andere Ebene und Dimension und Ausdrucksform. Auch wenn Maria über sich selbst hinaus wächst, verlieren sie den Draht zueinander nicht. Die Verbindung wird nur anders. Aber sie bleibt. Maria schöpft aus der gewandelten Beziehung die Kraft, die sie braucht, um sich der Herausforderung zu stellen und sie zu bewältigen. Sie wird zur Apostelin. Sie predigt die Auferstehung und baut Gemeinde.
Welche Lebensaufgaben liegen vor uns, was sind die Herausforderungen, in die der Auferstandene uns schickt? Wo ist unser Galiläa? Wo heißt es für uns: Geht!
Am Anfang der Menschheitsgeschichte, so erzählt die Bibel, steht eine Begegnung im Garten. Gott und die Menschen treffen in Eden aufeinander. Aber diese Begegnung endet im Missverständnis, in Trennung und Unheil.
Am Anfang von Ostern steht wieder eine Begegnung im Garten, wenn Maria in Jesus den Gärtner sieht. Diese Begegnung gelingt, und sie führt weiter. Sie führt ins Freie und in die Weite. Jesus ist auferstanden. Maria trocknet ihre Tränen und steht auf. Jesus ist auferstanden, und wir sollen mit ihm auferstehen. Amen.
Osterpredigt über Johannes 20,11-18
Predigten zwischen Palmsonntag und Quasimodogeniti: hier
Predigten im Jahreslauf: hier
** Johannes 20, 11 – 18 (Bibel in gerechter Sprache)
Maria aber stand draußen vor dem Grab und weinte. Als sie weinte, beugte sie sich in das Grab hinein und sah zwei Engel in weißen Kleidern dasitzen, einer am Kopf und einer an den Füßen, wo der Leichnam Jesu gelegen hatte. Sie sagten zu ihr: »Frau, warum weinst du?« Sie sagte zu ihnen: »Sie haben meinen Rabbi fortgenommen, und ich weiß nicht, wo sie ihn hingebracht haben.« Als sie dies gesagt hatte, wandte sie sich um und sah Jesus dastehen, aber sie wusste nicht, dass es Jesus war. Jesus sagte zu ihr: »Frau, warum weinst du? Wen suchst du?« Sie dachte, dass er der Gärtner wäre, und sagte zu ihm: »Herr, wenn du ihn weggetragen hast, sage mir, wo du ihn hingebracht hast, und ich werde ihn holen.« Jesus sagte zu ihr: »Maria! « Sie wandte sich um und sagte zu ihm auf Hebräisch: »Rabbuni!« – das heißt Lehrer. Jesus sagte zu ihr: »Halte mich nicht fest, denn ich bin noch nicht zu Gott, meinem Ursprung, aufgestiegen. Geh aber zu meinen Geschwistern und sage ihnen: Ich steige auf zu meinem Vater und eurem Vater, zu meinem Gott und eurem Gott.« Maria aus Magdala geht und verkündet den Jüngerinnen und Jüngern: »Ich habe Jesus den Lebendigen gesehen.« Und dies hat er ihr gesagt.