Blut ist Tod
Christi Blut für dich gegeben, sagen wir beim Abendmahl.
Es ist Blut geflossen – das ist eine Ankündigung für Schlimmes. Menschen wurden verletzt oder gar getötet. Blut vergießen, damit verbinden wir Leid, das wir uns selbst zufügen und das hätte vermieden werden können. Es ist sinnlos, und das macht uns ohnmächtig und lähmt uns.
Blut bedeutet Tod. Eine Entführung wurde blutig beendet.
Ein Bluthund ist ein Sadist. Jemand hat Blut geleckt. Der geht auch über Leichen.
Blutsauger – der Ausbeuter, der das Letzte aus den Leuten herauspresst und ihnen die Luft zum Leben nimmt.
Blut, das bedeutet verletzte und vergiftete Beziehungen.
Es gibt böses Blut.
Wo das Zornesblut zu Kopfe steigt, da sind wir Leidenschaften ausgeliefert, die zerstörerisch sind und die uns unfähig machen, anders miteinander umzugehen.
Wir warten auf ein Ende des Blutvergießens und auf das Ende von Gewalt und Krieg, von sinnlosem Sterben und Drohgebärden.
Wir warten auf ein Ende des Blutvergießens und meinen noch mehr damit: den Wunsch, dass Frieden einziehe und Gerechtigkeit.
Wir umschreiben damit unsere Hoffnung: Jeder Stiefel, der mit Gedröhn dahergeht, und jeder Mantel, durch Blut geschleift, wird verbrannt und vom Feuer verzehrt. (Jes 9,4)
[Musik]
Blut ist Leben und verbindet.
Ein halber Eimer, der in uns pulsiert, hält uns aufrecht.
Wo kein Blut, da kein Leben.
Wenn uns ein Mensch blutleer erscheint, dann erleben wir ihn als leblos, als innerlich tot, ohne Energie oder Impulse.
Eine Familie, die über die Generationen hinweg in ihren Traditionen erstarrt ist, braucht frisches Blut, Menschen, die von außen einheiraten, neue Impulse und neue Kraft mitbringen und die innere Erstarrung aufbrechen.
Wer aussieht wie Milch und Blut, erscheint uns wie das Leben selbst.
Blut ist Leben.
Etwas Archaisches steckt dahinter, auch heute noch. Es ist kein Saft wie jeder andere. „Ich kann kein Blut sehen“, das hat damit zu tun.
Es erinnert an Urzeiten der Menschen, als die Erde noch dampfte und auch die Dinge eine Stimme und eine Seele hatten und Gott zum Brudermörder Kain sprach:
„Die Stimme des Blutes deines Bruders schreit zu mir von der Erde.“ „Die Erde hat ihr Maul aufgetan und deines Bruders Blut von deinen Händen empfangen.“ (Gen 4,10+11)
Das Blut hat eine Stimme und schreit zum Himmel – welch urtümliche Vorstellung – und wie missdeutbar, missbrauchbar. Blut und Boden. Reines Blut. Blutschande. Stimme des Blutes.
Ist es so missbrauchbar, weil uraltes Wissen um das Blut als den Sitz des Lebens noch in uns steckt?
Kain erschlägt Abel – der Brudermord ist es, der uns so erschreckt. Das Blut der gleichen Eltern pulsiert in ihnen.
Die Blutsbande haben es nicht verhindern können.
Blut ist dicker als Wasser, sagen wir.
Wir stufen ab zwischen angeheirateten, angenommenen und leiblichen Verwandeten.
Im gemeinsamen Blut, in der gemeinsamen Abstammung fühlen wir uns miteinander verbunden und untereinander verpflichtet und verantwortlich – mehr, als wenn Menschen „nur“ befreundet sind.
Es ist ein Unterschied zwischen leiblichen und angenommenen Kindern. Auch wenn sich die Eltern noch solche Mühe geben: Ein adoptiertes Kind wird meistens doch etwas anders aufwachsen, sich selbst anders fühlen, von anderen anders angesehen werden als ein leibliches. „nur“ angenommen“.
Auch im juristischen Bereich wird abgestuft zwischen leiblichen und angeheirateten Verwandten.
Ruft die Stimme des Blutes?
Aber zwei können „Blutsbrüder“ werden.
Dann schließen sie einen Bund bis ans Ende ihrer Tage.
Du bist mir ein Blutsbräutigam, sagte Zippora, Moses Frau, zu Mose. (Ex 4,25)
Du bist doch mein Fleisch und Blut, sagt die Mutter zu ihrem Kind. Ich habe dich lieb, wie sollte ich Dir Böses antun.
Du bist doch mein Fleisch und Blut, sagt Gott zu uns.
[Musik]
Blut ist heilig – Blut der Frauen, Blut der Geburt
Blut ist mit dem Geheimnis des Lebens verbunden. Deshalb ist es kostbar und heilig.
Wenn ein Tier geschlachtet wurde, musste es ausbluten und floss auf die Erde. Es gehörte Gott.
Der Altar wurde damit besprengt oder das Opfer.
Ein Frevel für Jüdinnen und Juden, es zu essen, eine undenkbare Entweihung, daraus Wurst herzustellen.
Blut ist etwas Geheimnisvolles, denn unser Leben wird aus Blut geboren. Zwischen Blut und Schleim kommen wir auf die Welt. So war es seit Menschengedenken, so wird es bleiben. Das verbindet uns auch mit der Kreatur.
Unser Leben wird aus Blut geboren. Hier bedeutet Blut nicht Tod, sondern neues Leben, hier steht Blut nicht für Gewalt und Leid, sondern für Schöpfung, für Neubeginn.
Es quillt aus den Frauen, wenn sie gebären, und es tropft und rinnt auch jeden Monat neu, wenn der Mond sich rundet.
Es ist etwas Geheimnisvolles. Im alten Israel durfte kein Mann sie in dieser Zeit berühren.
Sie kann den Rhythmus des Lebens tief in sich spüren. Vielleicht atmet sie leise auf, wenn sie merkt, dass ihre Zeit gekommen ist. Die Welt hat so ihre Ordnung, ihre Regel.
Blut: ein Zeichen dafür, dass wir uns wandeln, wieder und wieder.
Ein Zeichen dafür, dass noch immer neues Leben entstehen kann.
Ich habe mein Herzblut für dich vergossen, sagt die Mutter zum Kind. Ich hänge an dir, wie sollte ich dir Schlechtes wollen?
Gott sagt zu uns: du bist mein Kind. Ich habe mein Herzblut für dich vergossen.
[Musik]
Blut der Rettung – Blut Jesu
Einst hat Blut die Israeliten gerettet vor dem Tod. In jener Nacht des Schreckens, in der alles Erstgeborene in Ägypten starb, in jener Passa-Nacht sollten sie ihre Türpfosten mit dem Blut des Passalammes bestreichen.
„Denn Gott wird umgehen und die Ägypter schlagen. Wenn er aber das Blut sehen wird an der Oberschwelle und an den beiden Pfosten, wird er an der Tür vorübergehen … Darum halte diese Ordnung für dich und deine Nachkommen ewiglich“ (Ex 12,23 f).
So wurde die Nacht des Schreckens zur Nacht der Befreiung. Das Blut hat sie gerettet.
Nähe und Freiheit brachte es ihnen, als sie zum Sinai zogen und Gott einen Bund mit ihne schloss. Als Mose geopfert hatte, nahm er „Blut und besprengte das Volk damit und sprach: Seht, das ist das Blut des Bundes, den Gott mit euch geschlossen hat auf Grund aller dieser Worte.“ (Ex 24,8)
Das ist Herzblut, verbindendes Blut – nicht das trennende der Soldaten im Krieg.
Wie es sein wird, wenn die Welt zum Ziel findet und die Erde sich verwandelt, beschreibt der Apokalyptiker Johannes:
„Und ich sah den Himmel aufgetan, und siehe, ein weißes Pferd. Und der darauf saß, hieß: Treu und Wahrhaftigkeit, und er richtet und kämpft mit Gerechtigkeit … Und er war angetan mit einem Gewand, das mit Blut getränkt war, und sein Name ist: Das Wort Gottes.“ (Offb 19,11.13)
Blutgetränkt – aber es bist nicht mehr das Blut, das Tod bringt und bedeutet, sondern jenes, das Leid und Geschrei und Schmerz überwindet. Es ist nicht mehr das Blut Abels, das nach der Gewalttat zum Himmel schreit, sondern das Geburtsblut einer neuen Erde.
Christus hat uns mit seinem Blut erlöst und neu geboren.
Ist es so, dass in dem Blut, das er vergossen hat, sich das eine ins andere verwandelt:
Ja, es ist das eines Zermarterten und Zerschlagenen, der bis aufs Blut gepeinigt wurde.
Aber es wird zu jenem lebensspendenden, fruchtbaren, das fließt, wenn etwas Neues zur Welt kommt?
Ist es jenes, das nicht aus Verletzung entspringt und nach Vergeltung ruft oder Wiedergutmachung, Blutrache, sondern unsere Welt neu ordnet und regelt?
Ist es das frische Blut, das wir auf dieser Welt, das unsere Menschheitsfamilie dringend nötig hat, damit wir uns erneuern und wandeln?
Lieder: EG 350 Christi Blut und Gerechtigkeit, das ist mein Schmuck und Ehrenkleid
EG 226 Seht das Brot, das wir hier teilen
Andacht am Gründonnerstag
Predigten zwischen Palmsonntag und Quasimodogeniti: hier
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