Kirchenbücher – der Name bleibt

Joh. Metz, Kirchendiener, 11.Dec. 1601. Ich hatte seinen Sterbeeintrag gefunden! Unser Johannes Metze, der Kanzelträger in der Jacobikirche! Es hatte sich gelohnt, nach ihm zu suchen, sein Name steht in unserem Kirchenbuch. Er war vor 400 Jahren unser Küster; seine farbige Holzfigur steht mit einem riesigen Kirchenschlüssel in der Hand unter der Kanzel. Nach und nach fand ich noch mehr: dass er verwitwet war und seine Frau 5 Jahre vor ihm starb. Dass er eine Tochter Barbara hatte, die ihren Liebsten Hieronymus Kühne 1579 heiratete. Dass 1581 ein Enkelchen geboren wurde, Maria. Ich bekam sogar heraus, mit wem die jungen Leute befreundet waren, nämlich wenn sie bei anderen Familien Pate standen.

Johann Metze als Kanzelträger
Johann Metze als Kanzelträger

Es ist faszinierend, wenn sich ein Name so verfolgen lässt. Das entschädigt für die Mühen der Entzifferung, wenn ich stundenlang gesessen habe und am Ende die Buchstaben vor den Augen verschwimmen. Seitenlang Namen. Geborene, Getraute, Gestorbene. Die Kirchenbücher der Jacobikirche benötigen 2,30 Meter im Regal. Mit wunderschöner, glasklarer Schrift hat der damalige Superintendent 1573 den ersten Eintrag vorgenommen: „Im Namen Gottes“. Die Handschriften wechseln, manchmal sind Blätter leer oder entfernt.
Dürre Eintragungen lassen Schicksale erahnen wie die des Ehepaares Molens: Sie mussten in 6 Wochen drei kleine Söhne, ihr Töchterchen und den Schwiegersohn hergeben. Und der Superintendent bezichtigte die Frau wegen ihrer medizinischen Kenntnisse mehrfach der Hexerei… Noch heute bedrückend sind die Seiten, wo die Zahl der Toten langsam ansteigt, bis täglich so viele sterben wie sonst in 2 Monaten. Die Pest forderte ihre Opfer. Manche der ganz Armen werden dabei gar nicht verzeichnet sein, weil sie sich nicht einmal ein einfaches Begräbnis leisten konnten.
Die Kirchenbücher sind das Gedächtnis unserer Stadt. Wer je hier gelebt hat – hier findet sich vielleicht noch eine Spur. Manche der alten Familiennamen wie Westphal, Vollrath oder Mogk kennen wir noch heute in Sangerhausen. Die meisten aber sind vergessen. Selbst einflussreiche Familien wie Dockhorn, Glümann, Kappendorf sind im Laufe der Jahrhunderte ausgestorben. Oft ist eine Notiz im Tauf- oder Sterberegister der einzige Hinweis, dass ein Mensch gelebt hat. Am Ende bleibt – vielleicht – der Name. Alles andere, die Pläne, die Sorgen und Träume, verschwindet im Dunkel. Deshalb sind Kirchenbücher so kostbar und unersetzlich.
Doch auch Kirchenbücher und elektronische Dateien sind dem Verfall ausgesetzt. Selbst Namen können vergehen.
Was wird von uns einmal bleiben? Wer – außer Ahnenforschern – wird in 200, 300 Jahren nach uns fragen und danach, was uns bewegt hat? Bei wem leben wir weiter, wenn unsere Enkel und Urenkel längst gestorben sind?
Jesus sagt: Freut euch aber, dass eure Namen im Himmel geschrieben sind. (Lukas 10,20)

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