Der Genosse drohte: „Herr Pfarrer, kümmern Sie sich in der Kirche um Ihre Religion und stellen nicht die Politik der Partei– und Staatsführung in Frage. Konzentrieren Sie sich in Ihrer Kirche auf das Beten. Für die sozialistische Gesellschaftsordnung sind wir zuständig. Dann werden wir uns besser verstehen und Sie bekommen auch Material für Ihr Kirchendach.“ Nicht nur der Pfarrer bekam das zu hören. Auch Gemeindemitgliedern wurde immer wieder vorgeworfen, sie mißbrauchten ihren Glauben, wenn sie sich einmischten. Doch Beten und im Namen Jesu zusammen sein beschränkt sich nicht auf eine Stunde am Sonntag Morgen.
Jugendliche trugen den Aufnäher „Schwerter zu Pflugscharen“ am Ärmel und lösten in der Schule Diskussionen aus. Andere haben im Urlaub Rollstuhl geschoben, damit Behinderte etwas anderes als Heimluft schnuppern können. Bei Arbeitseinsätzen der „Aktion Sühnezeichen“ haben Deutsche der dunklen Seite unserer Geschichte ins Auge geblickt und Fäden der Versöhnung nach Polen oder Tschechien gesponnen. Bausoldaten haben auf ihrer Stube die Bibel gelesen und sich heimlich blassblaue Ormig-Abzüge mit Informationen „nur zum innerkirchlichen Dienstgebrauch“ zugeschoben.
Manches konnte nur unter vier Augen besprochen werden oder unter sechs. Zu gefährlich wäre es gewesen, andere einzuweihen. Sie alle waren Kirche. Sie alle haben ihren Glauben gelebt und umgesetzt, waren zu zweit oder zu dritt zusammen und Jesus war bei ihnen.
Die Kirche soll schön in ihren Mauern bleiben und sich um den Glauben kümmern, haben die Genossen in der DDR gefordert.
Interessanterweise wird diese Forderung auch heute immer wieder erhoben. Meistens aus der Politik und meistens dann, wenn es unbequem wird. Die Kirche soll sich auf ihre Kernkompetenzen besinnen, heißt es dann. Oder sich auf die Wertevermittlung beschränken.
Nichts ist gut in Afghanistan? Die Wellen schlugen hoch im „Spiegel“ und anderswo. Margot Kässmann solle doch erst selbst einmal dorthin fahren, bevor sie sich öffentlich in der Dresdner Frauenkirche darüber äußere. Atomausstieg (vor Fukushima)? Dazu sollten sich Sachverständige äußern, aber bitte nicht die Kirche, tönte es.
Doch Jesus sagt: Ich bin bei euch, da, wo ihr seid und wo ihr in meinem Sinne sprecht und handelt. Wir dürfen uns äußern, auch wenn wir nur zwei oder drei sind.
In den ersten Gemeinden gab es keine Organisation, die nach außen hin als „die Kirche“ hätte auftreten können. Es gab keine Amtspersonen. Kirche – das waren zwei oder drei gedemütigte Sklavinnen in einem korinthischen Sklavenbesitzer-Haushalt. Kirche, das war ein Handwerker-Ehepaar in Ephesus oder verarmte Bauern, die ihr Land verloren hatten.
Die Zusage von Jesus hat diesen Menschen den Rücken gestärkt. Und sie hat auch später Mut gemacht, wenn Einzelne aus ihrer christlichen Überzeugung heraus gehandelt und gelitten haben, auch wenn keine Kirche in der Nähe war oder wenn Kirche sich sogar von ihnen distanziert hat.
„Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.“ (Matthäus 18,20)
Weitere Predigten in der Trinitatiszeit: hier
Predigten im Jahreslauf: hier
Zwei oder drei in deinem Namen
Zwei oder drei, das ist nicht viel,
wenn der eine blind, der andere taub
und ein Dritter lahm ist.
Zwei oder drei, das ist unendlich mehr
als einer allein,
bestimmt wenn der eine blind, der andere taub und ein Dritter lahm ist.
Denn der Blinde wird das Ohr für den Tauben,
und der Taube wird das Auge für den Blinden.
Gemeinsam tragen sie den Lahmen, und so gehen sie alle drei,
wohin einer allein nicht kommen kann.
„Zwei oder drei in meinem Namen“, das ist deine Hoffnung, Gott,
für die Kinder der Menschen,
und überall, wo Menschen
zu zweit oder dritt
ihre Stärke miteinander teilen und ihre Schwäche gegenseitig tragen,
da bist du in ihrer Mitte.
Zu zweit oder dritt kannst du es mit der ganzen Welt aufnehmen.
Zu zweit oder dritt traust du dir
das Wunder zu:
Steine werden zu Brot,
Wasser wandelt sich zu Wein,
Einzelgänger werden
zu verschworenen Freunden.
Zwei oder drei, die miteinander
das Brot teilen wollen,
lassen wieder aufleben den Hunger nach Gerechtigkeit.
Zwei oder drei, die den Kelch erheben auf eine Zukunft mit allen,
halten lebendig
den Durst nach Frieden.
Diethard Zils