MIFA – mobil ohne Auto

Vor 35 Jahren und 10 Tagen, am 30. und 31. Mai 1981, ließen ein paar hundert Leute  in 25 Städten der DDR das Auto stehen und stiegen auf den Fahrradsattel. Sie wollten darauf aufmerksam machen, daß der hohe Lebensstandard des Nordens – also auch in der DDR – globale Umweltproblemen verursacht. Die Aktion hatte sich im kirchlichen Umfeld vor allem über Mundpropaganda herumgesprochen. In Saalfeld etwa beteiligten sich 100 Leute und verbanden die Fahrt mit einer Baumpflanzaktion. Es war die Geburt der Aktion „Mobil ohne Auto“ und sie wurde zur größten Umweltaktion in der DDR.

Fortan starteten um den 5. Juni herum, den Weltumwelttag, Mutige zu Fahrradtouren und verbanden sie mit Gottesdiensten im Grünen, Müll-Sammelaktionen und Informationen über Umweltprobleme in der DDR. „Mobil ohne Auto“ war von Anfang an ein Dorn im Auge der staatlichen Organe. Eine Gruppe der Evangelischen Studentengemeinde in Berlin radelte mit Mulltüchern vor dem Mund durch die Innenstadt und hatte auch noch Losungen dabei. Das wurde schnell unterbunden.

„Mobil ohne Auto“, diese ungenehmigten umweltpolitischen Fahrrad-Ausflüge, waren ein Politikum. Sie haben die Gefährdung der Umwelt für viele erst in den Blick gerückt und sie haben Themen angesprochen, über die in der DDR geschwiegen wurde. Die unabhängige Umweltbewegung in den 80-er Jahren und Aktionen wie „Eine Mark für Espenhain“ hätten sich ohne „Mobil ohne Auto“ nicht so entwickeln können.

Mindestens ein Drittel, vielleicht sogar fast die Hälfte der Leute saß damals auf  Rädern, die in der Kyselhäuser Straße in Sangerhausen zusammengeschraubt worden waren. Auf diese Weise hat die Mifa auch zum Entstehen einer unabhängigen Umweltbewegung in der DDR beigetragen. Die Mifa hat, freilich ohne es damals auch nur zu wissen, Geschichte von unten mitgeschrieben, die 1989 bis zur Friedlichen Revolution führte.

Die Kyselhäuser Straße wird bald Geschichte sein. Aber es bleibt, daß wir in einer globalen und vernetzten Welt leben. Und die Herausforderung,  die die Leute vor 35 Jahren aufs Rad getrieben hat, nämlich wie wir eine gerechte Weltordnung bauen, die Raum zum Leben und zum Atmen für kommende Generationen öffnet, diese Herausforderung  hat sich als noch drängender herausgestellt. Fahrrad fahren, Verkehr anders denken, regionale Wirtschaftskreisläufe stärken – die Mifa will Fahrradproduktion aus Asien hierher zurückholen – , den eigenen Lebensstil und die Ansprüche hinterfragen, das können einige Antworten sein, und sie verbinden die Kyselhäuser Straße von (fast) damals und die Wasserschluft von morgen. Als Kirchen freuen wir uns über Arbeitsplätze in der Region. Und wir wünschen der Mifa, daß, wenn nicht jedes zweite Rad aus Sangerhausen kommt, dennoch mehr Leute zum Fahrrad wechseln – nicht nur bei „Mobil ohne Auto“  zum Autofreien Sonntag am dritten Sonntag im Juni.

10.6.2016 Grundsteinlegung für den neuen Standort der MIFA in Sangerhausen, An der Wasserschluft

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