Menschen manipulieren?

„Wie Sie erfolgreich Menschen manipulieren“, das mußt du unbedingt lesen, drückte mir jemand ein Buch in die Hand. Die Weichen stellen wir schon, wenn wir etwa eine Gaststätte betreten: Keinesfalls mit dem ersten Tisch vorliebnehmen, den die Kellnerin anbietet, sondern erst auf den 2. oder 3. Vorschlag eingehen. Sofort die Getränkekarte verlangen, die Kellnerin in ein Gespräch über die Spezialitäten des Hauses verwickeln, notfalls nach dem Koch fragen. So gilt es dem Personal von vornherein klarzumachen, dass es nicht ruhen noch rasten darf, um alle Wünsche schleunigst zu erfüllen. Erfolgreich Menschen manipulieren, das gewinnt natürlich noch mehr Bedeutung, wenn es um Vorgesetzte geht, um Kolleginnen und Kollegen oder um die Stellung in der Familie. Denn in allen unseren Beziehungen spielt eben auch eine Rolle, wer das Sagen hat. Auf verdeckte Weise manipulieren wir einander ständig – oder werden manipuliert. Aber auf die Dauer geht das nicht gut. Wir können unsere eigenen Interessen nicht ständig hintenanstellen. Wir müssen auch aussprechen, was wir wollen. Es ist wichtig, dass wir die Initiative ergreifen, uns auch einmal durchsetzen. Wer das nie schafft, bleibt ewig benachteiligt und wird übergangen. Das leuchtet doch ein – oder?

Ich habe dieses Buch nachdenklich durchgeblättert. Solche Ratschläge, sich erfolgreich durchzusetzen, sind schon verlockend. Und ein paar Tipps für den Umgang mit anderen können ja nie schaden. Viele Menschen in unserem Land haben das Gefühl, den Anforderungen der heutigen Zeit nicht gewachsen zu sein. Selbstbewußt auftreten, glücklich sein – wer wünscht sich das nicht? Deshalb verkaufen sich diese Ratgeber ja so gut.
Aber neben wirklich sinnvollen Ratschlägen zur Selbsterkenntnis verkaufen manche dieser Bücher die Botschaft mit, dass es nur Sieg oder Niederlage gebe, „Amboß oder Hammer sein“. Und: Hauptsache ich! Hauptsache mein persönliches Glück. Dass wir für diese Welt verantwortlich sind, ist in ihnen nicht zu lesen.
Geht es im Leben wirklich nur darum, Oberwasser zu behalten? Gibt es außer Sieg und Niederlage nichts anderes?

Ich wünsche mir, dass wir uns vielmehr darin üben, mit offenen Karten zu spielen. Ohne Intrigen, ohne Tricks, ohne andere einzuspannen und wie auf einem Schachbrett hin und her zu schieben. Und auch ohne einander unterzubuttern. Wie wohl tut es, wenn mir nicht mit gleicher Münze heimgezahlt wird, auch wenn ich einmal danebengetreten bin!
So in Güte und Treue leben ist natürlich schwieriger, als nur (mit) Tricks auszuspielen. Es bedeutet: andere ernst nehmen und ihnen dieselben Rechte zugestehen. Es bedeutet, nach gemeinsamen Lösungen suchen und Kompromisse schließen und mitunter eben auch etwas einstecken. Manchmal bedeutet es sogar, Zähne zu zeigen, vor allem, wenn es an die Substanz geht. Sich durchsetzen will genauso geübt werden.
Ich glaube, dass der Weg der Güte und der Treue letztendlich weiter führt.

Viele sagen: Solche Deppen. Frechheit siegt. Oder Ellenbogen. Oder Selbstbewußtsein.
Aber: haben nicht die das größere Selbstbewußtsein und den sichereren Boden unter den Füßen, die (auch) zurückstecken können?
Gott selbst hat uns den Weg gewiesen.
Die Sanftmütigen werden die Erde besitzen, nicht die Ellenbogentypen, sagt Jesus. Und hat sich hingegeben, aufgegeben, hat sich ohnmächtig gemacht – für uns. Damit wir in Würde leben können.
Erfolgreich manipulieren – finden Sie nicht auch, dass wir zu schade sind für solche Machtspiele?

Gott,  deine Güte reicht, so weit der Himmel ist, deine Treue, so weit die Wolken ziehn. (Psalm 36,6)

Weitere Andachten und Predigten in der Trinitatiszeit: hier
Predigten im Jahreslauf: hier

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