Das Recht ströme wie Wasser

Das Recht ströme wie Wasser, die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach.
Schön wär’s, waren sich die Frauen im Großmütterkreis einig, meistens strömt ganz anderes: Ungerechtigkeit, Bereicherung, Gewalt. Aber es kommt auch auf uns an, wie wir miteinander leben.
Das war zu Zeiten des Amos nicht anders: Die Reichen wurden immer reicher, die Armen verschuldeten sich bis über die Ohren. Für den Propheten Amos (8. Jahrhundert v. Chr) war das kein Grund, die Schultern zu zucken und sich resigniert zurückzuziehen. Im Gegenteil: Er zog zu den Zentren von Macht und Reichtum und machte seinen Mund auf. Unbequem wurde er, und unbequem wurde es für ihn: So einer gehört abgeschoben, in den Süden, da, wo er herkommt.
Wie es ausging für Amos, wissen wir nicht. Aber so ging es aus für Leute, die sich in der DDR für Gerechtigkeit einsetzten: Sie sollten mundtot gemacht werden, „zersetzt“, ins Gefängnis gesteckt werden oder abgeschoben in den Westen.
Heute, in der Bundesrepublik, brauchen wir das nicht so schnell zu befürchten. Der Weg zu (mehr) Recht und Gerechtigkeit ist ein langer Marsch durch die Institutionen und Paragrafen; viele Initiativen und Eine-Welt-Gruppen können ein Lied davon singen.
Aber es lohnt sich. 2002 sind die sogenannten Wehrmachtsdeserteure rehabilitiert worden, und der Bundestag hat für sie und für Homosexuelle, die Opfer von NS-Unrechtsurteilen wurden, eine Ehrenerklärung abgegeben. Ihre Verurteilungen wegen „Fahnenflucht“ waren bisher in Kraft, und sie mußten in aufwändigen Einzelfallprüfungen darum kämpfen, nicht mehr als vorbestraft zu gelten. Nun ist den Wehrdienstverweigerern von damals Gerechtigkeit wiederfahren. Zwar erst 57 Jahre später und für viele zu spät, aber immerhin.
Das Recht ströme wie Wasser, sagte Amos. Wasser hat etwas Bewegtes. Recht verändert sich. Was früher Gesetz war, kann sich später als ungerecht herausstellen und revidiert werden. Es lohnt sich also, wenn wir immer wieder suchen und fragen und auch protestieren auf dem Weg zu Gerechtigkeit.
Amos hat seinen Mund weit aufgerissen. Es war ihm sicher selbst nicht angenehm, dass er als unbequem und Querulant galt. Aber Gott hat ihn dazu beauftragt, und so redete er. Deshalb: Das Recht ströme wie Wasser, die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach. (Amos 5,24)

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