Friedenstaube und Mauerfall: Lebenszeichen, Friedensbotin, Vogel der Verheißung

Schon als Kind liebte der spanische Maler Pablo Picasso weiße Tauben. Er sah sie in den Gehegen seines Vaters, der fast nur diese gurrenden und zutraulichen Tiere malte. Aber irgendwann wurde es dem Vater zu viel, die Füße der Tauben sorgfältig auszumalen. Und so wurde Pablo ein kleiner Taubenfußmaler.

Pfingstfenster von Wilhelm Schmied

Als er erwachsen war, wohnten auch auf der Terrasse seines Hauses in Paris diese lebhaften, gefräßigen Vögel. Und wie sein Vater malte er fortwährend weiße Tauben. Einige von ihnen flogen gar als Friedenstauben um die Welt. Picassos Plakate mit der fliegenden Taube sollten an die Schrecken des Zweiten Weltkrieges erinnern und die Menschheit vor einem drohenden dritten, einem atomaren Weltkrieg (zu Beginn der fünfziger Jahre des vorigen Jahrhunderts) warnen. Sogar seine Tochter ernannte er zur Friedenstaube, er nannte sie „Paloma“ (= Taube).

Bis auf den heutigen Tag ist die weiße Taube ein Symbol für den Frieden. Am 1. September 2009, dem 70. Gedenktag an den Beginn des Zweiten Weltkriegs, trafen sich in Gubin, dem polnischen Stadtteil von Guben, Christen aus beiden Ländern zu einem Friedensgebet. Zuvor stiegen siebzig an Luftballons gebundene Papiertauben in die Lüfte. Sie trugen Friedensgrüße zu Menschen auf beiden Seiten der Oder.

Das Sinnbild der Taube ist uralt. Den Ägyptern galten die Tauben als das reinste aller Tiere, da sie keine Galle haben. In Pestzeiten z. B. blieben angeblich nur jene Menschen gesund, die nichts anderes als Tauben aßen. Im Altertum war sie die Opfergabe der „kleinen Leute“, die im besonderen Maße auf de Schutz Gottes angewiesen sind. Auch Maria und Josef gehörten zu ihnen. Nach der Geburt von Jesus brachten sie kein Schaf (Lev 12,6-8), sondern ein Paar Tauben in den Tempel von Jerusalem.

In Babylon ist die Taube der Vogel der Ischtar, der Muttergottheit und Fruchtbarkeitsgöttin. Sie galt als Herrin über Leben und Tod sowie über Krieg und Frieden. In Griechenland ist sie der Aphrodite gewidmet. Noch heute kennen wir sie alle als ein Liebessymbol: Die Turteltauben. Sie verbringen den Tag damit, sich fortwährend schnäbelnd zu küssen (zu füttern!). Wir haben aus dem Hohen Lied der Liebe gehört. Der Freund vergleicht die Augen seiner Freundin mit den Augen der Tauben, wie sie sich so fortwährend munter und aufmerksam hin und her bewegen, auch die Freundin.

Die Taube kann höher als andere Vögel fliegen und kehrt doch immer treu in ihr Nest zurück. Sie lässt sich zähmen. So haben sich die Menschen mit ihr angefreundet. Tauben können nicht singen, man hört sie gurren, schluchzen, seufzen. Davon weiß auch der Prophet Jesaja, wenn er verzweifelt ruft: „Ich zwitschere wie eine Schwalbe / und gurre wie eine Taube. / Meine Augen sehen verlangend nach oben: / Herr, ich leide Not, tritt für mich ein!“ (38,14 ) Aus dem Matthäusev. haben wir von ihrer Treue gehört: „Seid klug wie die Schlangen und ohne Falschheit wie die Tauben.“ (Mt 10,16 ). Zu ihrer Hochbegabung gehört übrigens ihre Furchtsamkeit: Sie hat – zu Recht – Angst vor dem Adler, vor den Geiern und sorgt sich um sichere Nistplätze: „Oh, hätte ich Flügel wie Tauben“, fleht der unbekannte Sänger in großer Furcht, “dass ich wegflöge und Ruhe fände.“ (Ps 55 ,7) Es heißt, dass sie stets über dem Wasser fliege, weil sie so rechtzeitig das Spiegelbild des Sperbers im Wasser sehen könne. Da liegt es nahe, dass sie in der Geschichte von Noah zur Botin wird und den Überlebenden auf der Arche inmitten der Flut mit dem frisch gepflückten Zweig die Nähe sicheren Landes anzeigt. Als Vogel kann sie etwas, was die Menschen nicht können! Und sie kam zur Abendzeit (1. Mose 8,11 ), um nicht von der Nacht, das heißt vom Tod, eingeholt zu werden.
Das Bild der Taube mit dem frischen Ölblatt im Schnabel verspricht der harrenden Kreatur neue, bessere Zeiten.

Im Neuen Testament wurde die Taube zum Symbol des Heiligen Geistes, zum himmlischen Liebessymbol. Gottes Geist kommt auf die Erde in Gestalt einer weißen Taube. Wir sehen sie vorn über dem Taufdeckel. So steht sie sowohl für den Frieden als auch für die Liebe Gottes zu den Menschen untereinander.

Die Taube ist ein Gegen-Bild zur Mauer, über die wir in diesen Tagen besonders nachdenken. Gewehre und Stacheldraht entlarvt sie als das, was sie sind: etwas Gewaltsames und Verletzendes. Leicht und luftig schwingt sie sich nach oben, lenkt unsere Blicke aufwärts, zum Himmel. Sie überwindet Grenzen, mit viel Ausdauer – sie kann 500 bis 600 km fliegen. Sie trägt die Träume und die Sehnsucht der Menschen weit über Gräben und Mauern hinaus.

Der Maler Pablo Picasso malte die Taube in vielen Variationen. Viele Male malte er ein „Gesicht des Friedens“: Da der Krieg das Leben von Menschen und Tieren – die ganze Schöpfung – bedroht, zeichnete er den Kopf einer jungen Frau und eine Taube ineins; manchmal schmückte der Ölzweig zum Beispiel das Gesicht der jungen Frau wie ein Blumenkranz oder die Flügel der Taube bildeten zugleich den Haarschmuck der Frau. Sein Freund Paul Eluard schrieb zu diesen Zeichnungen kleine Gedichte, er malte den Frieden mit Worten: „Ich kenne alle Orte wo die Taube wohnt. Und der natürlichste ist der Kopf des Menschen.“   Mögen auch wir zu lebendigen Zeichen des Friedens werden.

Predigt zur Friedensdekade am 15. 11. 2009 (Buß- und Bettag)

Weitere Predigten in der Friedensdekade
Weitere Predigten im Jahreslauf

Wir hören aus dem Alten Testament im 1. Buch Mose, wie die Sintflut endete:
Nach 40 Tagen öffnete Noah das Fenster des Kastens, den er gemacht hatte, und ließ einen Raben hinaus. Der flog hinaus, hin und zurück, so lange bis das Wasser von der Erde weggetrocknet war. Dann ließ Noah eine Taube hinaus. Doch die Taube fand keinen Rastplatz und kehrte in den Kasten zurück. So streckte er seine Hand aus, nahm sie und holte sie zu sich in die Arche. Er wartete noch einmal sieben Tage, dann ließ er die Taube wieder aus dem Kasten. Die Taube kam um die Abendzeit zu ihm zurück – und siehe, sie trug ein abgerissenes Ölbaumblatt in ihrem Schnabel. Da wusste Noah, daß die Wasser gesunken waren auf der Erde. Er wartete noch einmal sieben Tage, dann ließ er die Taube hinaus und sie kehrte nicht wieder zu ihm zurück. Da entfernte Noah das Dach der Arche und sah, daß der Erdboden trocken war.     1. Mose 8, 6-14 i.A.

Wir hören aus dem Matthäusevangelium, wie Jesus die Jüngerinnen und Jünger beauftragt, den Menschen die Frohe Botschaft des Friedens zu bringen:
Jesus sprach: Geht und predigt und sprecht: Das Himmelreich ist nahe herbeigekommen. Macht Kranke gesund, weckt Tote auf, macht Aussätzige rein, treibt böse Geister aus. Ich sende euch wie Schafe mitten unter die Wölfe. Darum seid klug wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben.   Mt 10, 7-8.16

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