Blühende Landschaften. Das hat nicht nur Helmut Kohl 1989 versprochen. Davon träumt die Bibel. Die Wüste soll grünen und blühen, dürres Land soll fruchtbar werden, Wasserquellen sollen sich auftun.
Im Moment erleben wir es umgekehrt: Äcker und Wiesen werden zubetoniert, um Autobahnen und Gewerbegebieten Platz zu machen. Insekten und Vögel finden keinen Lebensraum mehr. Dieselautos pusten mehr Gifte denn je in die Luft.
Die Bibel ist überzeugt, dass die Erde Gottes gute Schöpfung ist und wir Teile dieser Schöpfung. Sie fragt nicht, was machbar ist, sondern was gut tut und was gerecht ist. Gott steht nicht erhaben über der Welt, sondern lebt und leidet mit den Menschen, und jubelt, wenn die Schöpfung aufblüht.
Blühende Gärten und Gerechtigkeit für Abgehängte und Arme gehören zusammen. Die Bibel nennt immer in einem Atemzug, wenn das Land zu blühen beginnt und Rechtlose zu ihrem Recht kommen. Umzäunte Gärten, gesicherte Wohnviertel für die Wohlhabenden kann sie sich nicht vorstellen. Das Paradies gibt es nur für alle. Die große Umwälzung für die Erde geht Hand in Hand mit einer Rechtsreform. Schwache werden gestärkt und alle können teilhaben, Arme, Kranke, Behinderte, Fremde.
„Wohlan, es ist noch eine kleine Weile, so soll der Libanon fruchtbares Land werden, und was jetzt fruchtbares Land ist, soll wie ein Wald werden. An diesem Tag werden die Tauben die Worte des Buches hören und aus dem Dunkel und der Finsternis heraus werden die Augen der Blinden sehen können. Die Gedemütigten und die Elenden werden wieder Freude an Gott haben und die Ärmsten unter den Menschen werden über Gott jubeln. Denn es wird ein Ende haben mit den Tyrannen und mit denen, die spotten, und es werden vertilgt werden alle, die darauf aus sind, Unheil anzurichten, welche die Leute schuldig sprechen vor Gericht und denen nachstellen, die sie zurechtweisen im Tor, und durch Lügen das Recht der Unschuldigen beugen.“ (Jes 29,17-21)
Das sind uralte Worte, zweieinhalbtausend Jahre alt. Wir hören sie im Jahr von Klimakonferenzen und G-20-Protesten. Die Sprache des Jesajabuchs klingt ein wenig fremd und altertümlich. Doch wovon sie erzählt, könnte aus der Tagesschau stammen. Tyrannen, die im großen Stil Unrecht anrichten und sich lustig machen auf Kosten derer, die benachteiligt sind. Ein Rechtssystem und internationale Verträge, die die Besitzenden bevorteilen. Willkürliche Verhaftungen, Gerichtsverfahren und Gewalt in vielen Ländern. Die Schere zwischen Arm und Reich bei uns und weltweit. Riesige Dürregebiete in Afrika.
Die Bibel denkt diese Probleme im Zusammenhang. Umweltschutz und eine gerechte Verteilung der Güter, eine gerechte Weltordnung gehören zusammen. Wie wir dem Klimawandel begegnen, lässt sich nicht davon trennen, wie die Beziehungen zwischen den Ländern des Nordens und denen des Südens gestaltet werden. Grünende Berge, Menschen, die gesund werden, und Arme, denen zu ihrem Recht verholfen wird – das Jesajabuch beschreibt das immer wieder im selben Absatz.
Wohlan, es ist noch eine kleine Weile, so soll der Libanon fruchtbares Land werden. Wohlan, es ist noch eine kleine Weile. Die Bibel macht Hoffnung. Ja, es sieht noch nicht danach aus. Aber es kommt keineswegs am Sankt-Nimmerleins-Tag oder im Jenseits. Die Menschen sollen es hier und jetzt erleben. Sie selbst sind Teil des Wandels. Wir sind Teil des Wandels. Die Indigena in Guatemala, die um ihr Land kämpft, die Familie, die erst beim Sozialgericht um den Zuschuss streiten muss, der ihr zusteht – sie sind nicht ohnmächtig. Gott bekennt sich zu denen, die auf Gerechtigkeit warten. Gott ist parteiisch. Die Blinden und Tauben, die Elenden, die Armen und die, deren Rechte missachtet werden, sind der Maßstab.
Das Gelobte Land, das den Israelit*innen versprochen wird, ist das Land, in dem Milch und Honig fließen. Es summt. Es duftet. Es schmeckt gut. Die Bibel macht Appetit auf mehr. Schöpfungszeit, diese Aktion der Kirchen im September, soll uns daran erinnern, was Gott uns geschenkt hat und was uns wirklich gut tut. Und was wir dafür tun können.
Predigt am 12. Sonntag nach Trinitatis über Jesaja 29,17-21
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