Es ist Wahlkampfzeit. Bald beginnt die heiße Phase. Alle bringen sich in Positur. Und die ganze Welt spielt mit. Es wird mit harten Bandagen gekämpft. Die Reden auf dem Gipfel oder Sprüche á la „Die ganze Welt zu Gast bei Freunden“ sind nichts als Sonntagsreden. Jetzt geht es um die besten Plätze.
Allen voran Amerika. Make America great again, tönt es unaufhörlich aus dem Weißen Haus. Der Osten. China hat Japan schon lange überholt. Die Metropolen dort haben die Größe von halben Bundesländern. Chinesische Investoren und ihre Industrie machen das Land zum Global Player des 21. Jahrhunderts. Indien glänzt mit Bollywood, seiner Computerindustrie und den Computerexperten, die Deutschland einstmals mit 20.000 Einreiseerlaubnissen anlocken wollte. Der Nahe Osten – Schurkenstaaten hin und her – ist unverzichtbar wegen der Ölquellen, die afrikanischen Länder sind attraktiv hinsichtlich der vielen Rohstoffe und Seltenen Erden und natürlich als Absatzmärkte. Die Regierungen von Polen und Ungarn bestärken das nationalistische Lager. Welche Rolle russische Hacker im Wahlkampf spielen, ist unklar.
Kleinere Länder, Inselstaaten wie Tuvalu oder Kiribati, auf denen die Meeresspiegel steigen, haben kaum eine Chance. Auch die indigenen Völker, deren Lebensraum bedroht ist, fallen nicht ins Gewicht. Oder die Millionen von Menschen, die überhaupt nirgendwohin gehören, weil sie in riesigen Flüchtlingslagern wohnen und nicht vor und nicht zurück können, irgendwo in Afrika.
Wer wird gewählt? Die, die am lautstärksten trommeln? Bei denen das große Geld dahintersteckt? Die einen roten Teppich für die Unternehmen ausrollen? Die auf starken Staat setzen? Die mit neuen Ideen kommen? Die die Rechte der Zivilgesellschaft, der Demokratie hochhalten?
Wer wird sich am Ende durchsetzen? Diesmal ist die Wahl anders. Diesmal wählt Gott. „Gott hat dich erwählt zum Eigentum aus all den Völkern auf dem Erdboden. Nicht weil ihr zahlreicher seid als andere Völker, schließlich seid ihr das kleinste unter allen Völkern! Nein, weil Gott euch liebt und sich an den Schwur hält, den er euren Vorfahren geschworen hat. Darum führte Gott euch mit starker Hand aus dem Haus der Sklavenarbeit und kaufte euch aus der Hand Pharaos, des Königs von Ägypten, frei.“ (Dtn. 7, 6b – 8)
Bei dieser globalen Wahl gehen die Großen leer aus. Größe, Finanzkraft, Bruttosozialprodukt, militärische Stärke, Rohstoffe, glänzende Tradition sind keine Kriterien für Gott. Gott wählt das kleinste Volk aus, eins von denen, die immer übersehen werden und unter die Räder kommen und deren Stimme nicht ins Gewicht fällt. Bei dieser globalen Wahl krempelt Gott alles um. Von Liebe redet er, von Heiligkeit, von Barmherzigkeit und nicht vom globalen Wettbewerb. Sie bringt die Sklaverei der Vergangenheit zur Sprache, statt die Vergangenheit unter den Tisch zu kehren. Er engagiert sich persönlich für Befreiung. Sie steht zu denen, die sich an Gesetze, statt sich in großem Stil über Recht und Gesetz hinwegzusetzen.
Sonntag 18 Uhr. Das Wahllokal Erde wird geschlossen. 18.10 Uhr die erste Hochrechnung. Sie ist eindeutig. Ein kleines Volk macht das Rennen. Das hat niemand erwartet. Die ersten Kommentare klingen irritiert. Lange Gesichter bei den Etablierten. Ihre Siegesstimmung ist dahin. Der Sekt, schon kaltgestellt, perlt nicht mehr. Spekulationen machen die Runde und Schuldzuweisungen. Die Party fällt aus.
In einem fernen Land der Welt hingegen reiben sich die Menschen am nächsten Morgen erstaunt die Augen. Die Nachricht war erst im Morgengrauen richtig durchgesickert, weil der Handyempfang so schwach war und sich niemand die Mühe gemacht hatte, in stabiles Internet zu investieren.
Gewählt? Wir? Wir sind doch so klein? Und bisher hat sich niemand für uns interessiert. Wir haben uns doch nicht einmal beworben.
Predigt am 6. Sonntag nach Trinitatis über 5. Mose 7,6-12
Liedvorschlag: Für die Heilung aller Völker bitten wir dich, Gott der Welt (Weltgebetstag 2012, alternative Melodie): hier
Einfacher Begleitsatz: hier
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