Häuser. Predigt zu 2 Kor 5, 1-4

Wenn das irdische Haus, diese Hütte, abgebrochen wird, so haben wir einen Bau, von Gott erbaut…                 (2 Kor 5,1)
„Und da stand ich wieder, nach 14 Jahren, vor unserem Haus, meine Mutter oben hinter der Gardine, ich mußte lange klingeln, da stand ich wieder. 20 Jahre bist du nicht zu Hause gewesen, unterbrach mich meine Mutter, wie du aussiehst, steck dein Hemd rein, so stehst du unten vor der Haustür, wenn das einer sieht, (…) unterbrich mich nicht, 20 Jahre, das reicht nicht, wann bist du hier gewesen, ich habe nicht nach dir gerufen, was willst du hier, dein Bruder aus dem Westen ist dagewesen und will endlich einen Zaun machen. (…)
Ich stand vor unserem Haus, die Brennesseln reichten mir zur Brust, die Vorgartentür kaputt, der Zaun, die Haustür, die Dachrinne. Ich kann nicht mehr, schrie sie mich an, als wüßte sie, was ich dachte, ich kann nicht mehr. (…) Die verdorrten schwarzen Kirschbäume, der zusammengebrochene Hühnerstall und der Zaun, der nicht mehr erkennbar war. Der alte Apfelbaum zerdrückte das Hühnerstalldach, (…) die Goldrute stand so dicht, dass ich mich später nicht dazuwischentraute. Mutter war nie wieder unten gewesen, wie sie nie wieder den Balkon betreten hatte, wie sie nie wieder aufgeräumt hatte, wie sie jeden Abfall auf den Balkon geworfen hatte (…) 30 Müllsäcke packte ich voll, und der Balkon war noch immer nicht leer(…) Ich habe ein Buch über meine Mutter geschrieben und bin jetzt nicht fähig zu beschreiben, was ich gesehen habe.“        (Einar Schleef: Heimkehr. Hrsg. Berliner Ensemble. Berlin 1993)

Es ist der Sangerhäuser Einar Schleef, der hier beschreibt, wie er 1990 wieder nach Hause kommt. Nach Hause? Gab es das überhaupt für ihn?
Was ist zu Hause? Was ist unser Zuhause? Lässt sich das an einem Ort festmachen? Und gibt es ein Zuhause auch ohne einen festen Platz?
Wenn das irdische Haus, diese Hütte, abgebrochen wird, so haben wir einen Bau, von Gott erbaut…

Ein junger Mann hatte nachts einen Traum: Er sah ein prächtiges Schloß, mit vielen Zimmern und herrlichen Sälen, groß und wunderbar. Und es war seines, es gehörte ihm, er selbst wohnte darin. Er war ein Schloßherr. Doch von all diesen schönen Räume bewohnte er nur ein kleines Kämmerchen, einen Verschlag fast. Die vielen prächtigen Räume – er ließ sie leer stehen.
Der junge Mann erzählte den Traum einem Freund. Der fragte ihn dann: Wie steht es denn mit dir selbst? Du bist ein kluger Kopf, hast viele Gaben, und es steckt vieles in dir. Aber du nutzt es nicht. Du bist wie eine graue Maus und ziehst dich immer wieder in dich zurück wie in das Kämmerchen in deinem Traum. Dabei hat du ein ganzes Schloß. Woran liegt es, dass du so vergräbst, was in dir steckt?Wie schön wäre es, wenn du das entfalten könntest!

Das Haus – ein Bild für unser Leben, das Gott uns anvertraut hat. Mit dem Leben kann es zugehen wie mit einem großen unbekannten Haus. Im Laufe der Jahre lernen wir einen Raum nach dem anderen kennen, erschließen ihn, erfüllen ihn mit Leben und geben ihm unser Gesicht. Es sind unsere Gaben und Möglichkeiten, die wir entfalten und einbringen. Nach und nach öffnen wir die Türen. Manchmal entdecken wir neue Räume. Vielleicht mutet ein solcher Raum am Anfang fremd an, wir machen die Tür erst einmal wieder zu. Was sich dahinter verbirgt, scheint gar nicht dazuzupassen, zu uns zu passen. Erst mit der Zeit werden wir vertraut mit dem, was sich dahinter verbirgt und in uns steckt.

Manche Räume machen uns traurig, und wir meiden sie. Erinnerungen mögen in ihnen wohnen, die uns wehtun oder belasten. Manchmal dauert es Jahre, bis wir die Tür wieder öffnen und dem Vergangenen ein neues Gesicht geben können.
In anderen Räumen haben wir unsere Schätze, die Glanz in unsere Augen bringen. Wir hüten sie und erfreuen uns an ihnen, weil sie uns Kraft geben und Energie und Mut und Zuversicht. Es ist gut, wenn wir den Schlüssel zu diesen Türen nicht verlieren, damit wir uns den Zugang zu unseren Kraftquellen nicht selbst versperren, sondern bewahren.

Manchmal verändern wir uns und ziehen um in unserem Haus. Wir fühlen uns in einem anderen Zimmer wohler und machen es zum Mittelpunkt. Was wir gerade nicht mehr brauchen, lassen wir in dem alten zurück. Es mag erst einmal verstauben, aber wenn wir es später wieder benötigen, können wir es hervorholen; und es gelangt in einem anderen Zimmer, in einer anderen Umgebung, in einem anderen Licht zu neuem Glanz Die Interessen und Gaben eines Menschen können manchmal jahrelang brachliegen, aber später können sie uns zugute kommen und entfalten sich wieder neu .

Wie steht es mit unserem Lebenshaus, mit den dunklen und den hellen Zimmern, den Tanzsälen und den Geheimkammern? Füllen wir unser Haus mit dem Leben, das in uns steckt! Durchschreiten wir die Räume, die uns von Gott gegeben und anvertraut sind! Machen wir es wohnlich und einladend. Ein großer leerer Saal kann zum Tanzsaal werden, wen andere hineinkommen und ihn mit Lachen und Freude erfüllen. Unser Leben wird reich, wenn wir andere teilhaben lassen an dem, was in uns steckt. Das Leben wird zum Fest, wenn wir andere einladen.

Im Evangelium (Matthäus 25, 31-46) erzählt Jesus davon, was passieren kann, wenn wir anderen abgeben von dem, was wir haben, aber er erzählt auch, was werden kann, wenn wir die Türen zu machen: dass wir nicht zum Ziel kommen und abseits bleiben. Wenn unser irdisches Haus, diese Hütte, abgebrochen wird, so haben wir einen Bau, von Gott erbaut, ein Haus, nicht mit Händen gemacht, das ewig ist im Himmel.

Das Haus, das Leben – ein Geschenk. Wir müssen es nicht selbst erbauen. Wir müssen keine Architekten des Glücks und des Weltheils sein. Das Haus hat Gott für uns gebaut. Wir brauchen es nur zu bewohnen. Räume hat es genug. Können einziehen, gestalten, mit Leben füllen, uns und anderen zur Bereicherung. Aber das sollen wir auch.

Was ist Zuhause? In den Erinnerungen knüpft es sich vielleicht an einen bestimmten Ort, an eins der Häuser, die wir im Laufe der Jahre bewohnt haben. Aber richtig daheim sein können wir nur, wenn wir in unserem Lebenshaus be-haust sind und wenn es uns gelingt, die Räume kennenzulernen, auszufüllen und auszuschreiten, die Lebensaufgabe, Herausforderung, Kraftquell für uns sind. Ein immaterielles Haus also so ähnlich wie Paulus es beschreibt. Es kann auch dann noch Heimat und Rückhalt bieten, wenn ein Haus tatsächlich verkauft werden muß oder verfällt und die Heimkehr wie bei Einar Schleef kein Nachhausekommen mehr bedeutet. Dass wir dennoch zu Hause ankommen, darum bitten wir Gott. Wenn unser irdisches Haus, diese Hütte, abgebrochen wird, so haben wir einen Bau, von Gott erbaut, ein Haus, nicht mit Händen gemacht, das ewig ist im Himmel. Amen

tritt über die schwelle
und streife ab
ins geflecht der fußmatte
deine hemmungen
vor unbekannten mauern.

lege ab deinen mantel
der verschlossenheit
und entledige dich dabei
deiner ängste,
zuviel von dir zu offenbaren.

komm
in die stube der gemeinsamkeit
und laß hinter dir die scheu,
dich für mich zu öffnen.

nimm platz
und laß das gefühl
der unsicherheit
draußen vor der tür.

iss und trink mit mir
und ziere dich nicht,
mich dazu anzuregen,
brot und wein mit dir zu teilen.

schau mich an,
berühre mich,
verschwende deine zärtlichkeit
an mich.

bleibe bei mir,
solange es dir bedürfnis ist
und laß dich nicht vertreiben
vom zeiger der unruhe,
der vielleicht längst
zum gehen mahnt.

gehe,
wenn es dich weiterzieht,
und nimm ermutigung mit dir,
unbesorgt wiederzukehren
wann immer
du das sehnen verspürst.

ade.   (Verfasser: W.C.)

 Predigt am vorletzten Sonntag des Kirchenjahres über 2 Korinther 5, 1-4

Weitere Predigten in der Trinitatiszeit: hier
Predigten im Jahreslauf: hier

Weitere Elemente im Gottesdienst:

Lieder
EG 447,1-6 Lobet den Herren, alle, die ihn ehren
EG 428,1-5 Komm in unsre stolze Welt
Komm, bau ein Haus, das uns beschützt

Zur Begrüßung
Steht es noch, das Haus, in dem Sie geboren sind oder mit dem sich die Erinnerungen an Ihre Kindheit verbinden? Das Bett, die Stube, der Herd, an dem Mutter kochte, der Klang ihrer Stimme, die Gerüche, der Geschmack der ersten Kirschen, der Blick aus dem Fenster, der Flur, die Treppe, die dunklen Ecken? Alte Häuser haben ein Gesicht, ein Eigenleben. Oft sind sie gemütlich, aber manchmal auch ein wenig unheimlich.
Die wenigsten wohnen noch drin. Die meisten sind umgezogen. Ausgezogen. Weggegangen. Oder – wir haben Volkstrauertag – vertrieben.
Steht es noch, das Haus Ihrer Kindheit? Vielleicht sind Sie später zurückgekommen und haben festgestellt: es ist klein geworden. Oder umgebaut. Oder verfallen. So ist es im Leben. Wir verändern uns. Die Welt um uns herum verändert sich.
In dem alten Pfarrhaus, in dem ich jetzt wohne, bin ich Gast. 1682 steht über der Tür. Ich stelle mir manchmal vor, wieviele Kinder hier geboren wurden, wieviele Menschen hier gelebt, geliebt, gestritten haben und gestorben sind, und nach mir werden andere in dieses Haus einziehen, es mit ihrem Leben und ihren Vorstellungen füllen. Ich bin ein Gast in diesem Haus, ich bin Glied in einer Kette von Menschen, hinterlasse Spuren. Vielleicht bleiben einige, auch dann, wenn ich nicht mehr da bin.
Die Häuser in unserem Lebens werden uns durch den Gottesdienst begleiten. Wir wollen darüber nachdenken, Lieder, in denen Häuser vorkommen, singen. Im 2. Korintherbrief, dem Predigttext heute, erzählt Paulus vom Haus: Wenn unser irdisches Haus, diese Hütte, abgebrochen wird, so haben wir einen Bau, von Gott erbaut, ein Haus, nicht mit Händen gemacht, das ewig ist im Himmel.

Vor Psalm 127, 1+2
Ein Haus bauen – das ist ein Lebenswerk: früher, mit eigener Hände Werk, in der DDR, beim Kampf um Material, Handwerker und Schwarzarbeiter, und heute, mit Krediten, die über viele Jahre abzuzahlen sind. Manch neugebautes Einfamilienhaus wird, kaum einige Jahre alt, schon wieder versteigert, weil die Familie zerbricht oder eine/r die Arbeit verloren hat. Wenn ein Haus aufgegeben werden muß – steht dann auch das Lebenswerk in Frage?
Verfallen gähnten viele Häuser in der DDR, Spiegel und Abbild für das ganze System. Den Neubauten, denen sie einst weichen sollten, droht jetzt der Leerstand. Wir entwickeln Rückbauprogramme – der Stolz von einst wird zum Problem.
Ein Haus ist bedroht – von Zerstörung, von Feuer, von Wasser, bis heute. Und wenn eingebrochen wird, ist auch das Haus irgendwie verletzt, weil wir verletzt sind.

Epitaph des Ehepaars Mogk
Epitaph des Ehepaars Mogk

 

2. Kor. 5,1-4 Denn wir wissen: wenn unser irdisches Haus, diese Hütte, abgebrochen wird, so haben wir einen Bau, von Gott erbaut, ein Haus, nicht mit Händen gemacht, das ewig ist im Himmel. 2 Denn darum seufzen wir auch und sehnen uns danach, dass wir mit unserer Behausung, die vom Himmel ist, überkleidet werden, 3 weil wir dann bekleidet und nicht nackt befunden werden. 4 Denn solange wir in dieser Hütte sind, seufzen wir und sind beschwert, weil wir lieber nicht entkleidet, sondern überkleidet werden wollen, damit das Sterbliche verschlungen werde von dem Leben.

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