Im EU- Mitgliedsland Ungarn sind seit 2025 CSD-Demonstrationen verboten. Wer trotzdem hingeht, muß mit empfindlichen Geldstrafen rechnen. Auch in Deutschland werden in kleineren Städten Pride-Paraden oder Straßenfesten zum Christopher-Street-Day mitunter Steine in den Weg gelegt, zuletzt z.B. in Schönebeck und Köthen (Sachsen-Anhalt). Rechte mobilisieren gezielt zu Gegendemonstrationen. Auf dem Heimweg vom CSD werden queere Personen bedroht und zusammengeschlagen. Liebe braucht Mut.
Unter diesem Motto lädt die Marienkirche Berlin zu einem multireligösen Gottesdienst am Vorabend des Christopher-Street-Days ein. Der Bischof predigt.* Und schon seit Jahren ist die Berliner Kirche mit ihrem Wagen „Liebe tut der Seele gut“ auf dem CSD der Hauptstadt mit unterwegs. Ich träume davon, daß Gemeinden sich auch anderswo öffnen und sich zu einem sicheren Raum für queere Menschen entwickeln. In der Vergangenheit hat Kirche ihnen – von wenigen Ausnahmen abgesehen – vielmehr Steine in den Weg gelegt und ihrer Ausgrenzung Vorschub geleistet. Diese Ausgrenzung wirkt nach wie vor weiter, ob im religiösen oder im gesesllschaftlichen Kontext, ob hierzulande oder in sehr vielen Ländern inner- und außerhalb Europas. Liebe braucht Mut, sehr viel Mut.
Beim CSD wird gefeiert, laut, fröhlich und machmal schrill. Warum denn nicht? Warum sollten queere Menschen nicht wenigstens einmal im Jahr sich selbst und ihre Liebe feiern können, bevor sie wieder in ihren Alltag zurückkehren? Der sieht bei vielen keineswegs schillernd bunt aus, vor allem wenn sie in einer schwarzbraunen Umgebung leben. Jeder noch so winzige Fortschritt mußte und muß mühsam erkämpft und leider auch immer wieder verteidigt werden. Siehe Regenbogenfahnen im öffentlichen Raum. Siehe Diversitätsrichtlinien von Firmen. Siehe USA.
Liebe braucht Mut. Und zwar auch Mut von der „schweigenden Mehrheit“, wie es so schön heißt. Von denen, die (angeblich) nicht betroffen sind. Es wird Zeit, daß Leute ihren Mund aufmachen, wenn wieder mal ein Witz über Transen gerissen wird. Oder sich in der Straßenbahn einmischen, wenn gepöbelt wird. Bedrohte nicht allein lassen. Andere zum Beistand auffordern. Die Polizei rufen. Sich als Zeug*in zur Verfügung stellen.
Und Liebe braucht Mut für Kirchengemeinden. Gemeinden und Gemeindekirchenräte sollten lernen und sich zu der Erkenntnis durchringen, daß der Einsatz für Gleichstellung nicht ein Steckenpferd einiger verrückter Außenseiter ist, sondern zu den Kern-Anliegen des Evangeliums und der Kirche gehört. Jenseits von Großstädten sind queere Personen auf diesen Mut besonders angewiesen. Pride-Paraden auf dem Land (wie in Gera, siehe Foto unten) setzen ein wichtiges Zeichen.
Gott, hauche mir Mut ein.
Mut zu mir selbst
Mut, für andere da zu sein,
sie zu behüten, zu stärken und für sie einzutreten.
Ich bin dein Ebenbild.
Du hast dir ausgedacht, was du alles in mich hineinlegst.
Hilf mir, es zu entdecken,
zu achten
und wachsen zu lassen.
Und wenn ich angegriffen werde,
sei du bei mir. Amen.
* Multireligiöser Gottesdienst zum CSD: Freitag, 25.7.2025, 17 Uhr Marienkirche Berlin, Karl-Liebknecht-Str. 8, U + S Alexanderplatz
In vielen anderen Städten laden Aktive ebenfalls zu Gottesdiensten und Andachten zum CSD ein!

Zum Weiterlesen:
Predigt zum CSD: Männlich / weiblich / divers
Gekreuzigte Frau, Jesus in Frauenkleidern – Jesus queer
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