Sternenkinder

Manche Menschen haben ein langes Leben, anderen ist nur kurze Zeit beschieden. Die meisten Kinder werden groß. Andere sterben schon vor der Geburt. Wir wissen nicht, warum die einen Kinder zur Welt kommen und die anderen können nicht leben. Oder wollen nicht leben.
So ist es ja mit vielen anderen Dingen auf der Welt auch, dass wir darauf keine Antwort finden. Warum die einen in eine stabile Familie hineingeboren werden, gewollt und geliebt sind, und andere lernen von klein auf nur Gewalt kennen, haben Eltern, die sich nicht für sie interessieren, sie nicht fördern und unterstützen.

Epitaph des Ehepaars Mogk

Warum sind wir in einem reichen Land geboren und andere in einer Wellblechhütte, in der es kein sauberes Trinkwasser gibt, geschweige denn eine Toilette. Warum wurden wir in eine Demokratie hineingeboren und andere in einem Unrechtsstaat, in dem gefoltert wird und in dem im Gefängnis landet, wer ein regierungskritischen Bericht auf dem Handy weiterschickt?

Auf so viele Fragen nach dem Warum gibt es keine Antwort. Das ist schwer auszuhalten. Gegen manches läßt sich protestieren. Oder einsetzen für eine gerechtere Welt. Manchmal können wir aber nur noch trauern.

Deshalb sind wir heute zusammen. Wir trauern um die Kleinsten, die gestorben sind, bevor sie richtig gelebt haben. Von vielen konnten sich Eltern, Geschwister gar nicht richtig verabschieden. Das verbindet uns in diesem Jahr mit den vielen Sterbenden in der Corona-Zeit, die auch still gehen mußten, ohne Abschied, ohne eine letzte Umarmung, einen letzten Kuß.

Die Kinder, kaum geboren, mußten wir schon wieder loslassen. Trotzdem haben sie Spuren hinterlassen. Die Spuren sind in unserem Herzen, in unserer Erinnerung, aber auch in unseren Körpern, als Spuren der Geburt, als Wunden, die sich bis in den Körper eingegraben haben. Träume, Hoffnungen, Schmerz verbindet sich mit diesen Kindern.

Vielleicht haben sie uns auch nachdenklicher gemacht. Dass sie da waren, erinnert daran, wie verletzlich das Leben ist, wie kostbar. Vielleicht haben sie uns in allem Schmerz auch dankbarer gemacht für die Geschenke, die uns das Leben macht und die wir nicht bezahlen können. Beziehungen, Wärme, Güte, Geborgenheit.

Gott hat uns das Leben geschenkt und sie bei sich aufgenommen. Gott zählt die Sterne  und nennt sie alle mit Namen  (Psalm 147,4).

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