Wichern erfindet den Adventskranz

In Hamburg lebte vor etwa 200 Jahren Johann Hinrich Wichern. Er war Lehrer in der Sonntags-Schule. Dort unterrichtete er Kinder, die sehr arm waren. Ihn bedrückte, was sie zuhause erlebten:
Sie haben nicht genug zu essen.
Sie werden geschlagen.
Die Eltern sind betrunken und kümmern sich nicht um die Kinder.
Die Kinder verkümmern in den engen Wohnungen.
Manchmal rief jemand die Polizei. Die brachte die Kinder in ein Waisenhaus. Dort mussten die Kinder hart arbeiten und wurden grob behandelt. Wenn sie wegliefen, wurden sie verprügelt.
Es muss etwas anderes geben für sie, überlegte Johann Hinrich Wichern.
Ich bräuchte ein Rettungshaus für diese Kinder.
Ein Rettungshaus für Kinder, in dem sie sicher und glücklich aufwachsen –  diese Idee ging Wichern nicht mehr aus dem Kopf. Weiterlesen

Die Heilung des Gelähmten als Männergeschichte

Es ist eine Männergeschichte. Jesus, der Gelähmte, die Freunde, die ihn tragen, die Schriftgelehrten – all die agierenden Personen sind Männer. Die Frauen, wenn sie denn im Haus sind wie zuvor die kranke Schwiegermutter des Petrus, bleiben im Hintergrund.

Und: die Geschichte ist merkwürdig stumm. Der Gelähmte sagt nichts, noch seine Freude. Wir hören nichts von seiner Not, keine Klage, keine Bitte, kein Hilferuf, keine Schilderung des langen Leidens und was sie vielleicht schon alles unternommen haben. Auch die Schriftgelehrten sagen nichts. Sie sprechen nicht aus, was sie denken. Ihr Widerstand bleibt stumm. Es wird viel geschwiegen in dieser Geschichte. Jesus ist der einzige, der redet. Weiterlesen

CSD Halle 2022: Männlich / weiblich / divers

Oft wird behauptet, dass es nach der Bibel zwei eindeutig getrennte Geschlechter gäbe. Dann wird meistens auf das 1. Kapitel der Bibel verwiesen, die Erschaffung der Welt: Da heißt es im Vers 27: „Gott schuf die Menschen zu seinem Bild, und schuf sie als Mann und Frau“. Die Kirche und auch die Gesellschaft, wird gefordert, soll endlich eine klare Ordnung in Mann und Frau in den Vordergrund stellen. Alles andere laufe dem Sinn der Bibel entgegen. Dieser Satz, Gott schuf die Menschen als Mann und Frau, wird als Waffe benutzt und allen entgegengehalten, die z.B. über Transition oder sich verändernde Geschlechterrollen nachdenken.
Doch er steht so gerade nicht in der Bibel. Im hebräischen Text heißt es stattdessen: Gott schuf sie männlich und weiblich. Also gerade nicht Mann und Frau. Weiterlesen

Sorgen 2022: Was werden wir morgen essen?

Was werden wir morgen essen, was werden wir trinken, womit werden wir uns kleiden – so wie in der Bibel fragen sich in diesem Herbst viele Menschen. (Matth. 6,25-34**) Wird es reichen bis zur nächsten Rente? Muss ich mich entscheiden zwischen dem Essen in der Mensa oder einer Jacke für den Winter? Studierende, Rentner:innen, Alleinerziehende, Leute mit prekären Jobs – sie alle müssen noch mehr rechnen als sonst. Und sie sind auch mehr in den Blickpunkt gerückt, jetzt, wo selbst Leute mit Mittelklassewagen auf ihre Gasrechnung blicken und den Bleistift spitzen. Und damit sind auch die Menschen in der Bibel näher gerückt, mit denen Jesus lebte und an die er sich wendet. Über 90 % der Bevölkerung in den Provinzen des römischen Reiches lebte an- und unterhalb der Armutsgrenze, hat die Wissenschaft herausgefunden. Weiterlesen

Erntedank 2022: Dank für die Heizung

Diese Spielszene für das Erntedankfest 2022 stellt das Thema Energie und Heizen in den Mittelpunkt. Warum danken wir nicht einmal dafür, dass wir es warm haben?! Ich finde, in diesem Jahr ist das aktuell. Die Urgroßeltern der heutigen Kinder haben – jedenfalls in der DDR – noch erlebt, wie mit Holz und Kohle geheizt wurde. Die Szene beschreibt einen Dialog zwischen Kind und Urgroßeltern.

Uropa (Stock) kommt mit Wollsocken, Mütze, Schal nach vorn
Uroma (Rollator) kommt mit  Kohlebrikett (und, so vorhanden, mehreren Holzscheiten, Spänen, Knüllpapier, Streichhölzern) nach vorn

Kind Uroma, Uropa, was schleppt ihr denn da an? Zum Erntedankfest freuen wir uns doch über Blumen, über Äpfel und Kartoffeln!
Opa Wir sind froh, wenn wir es warm haben. Im Winter wird es kalt.
Kind Also wenn mir kalt ist, drehe ich einfach die Heizung auf.
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Aussätzig? Danken?

Danke?

Sag schön danke! Kinder hassen diesen Satz. Aber sie haben keine Chance, und meistens sind sie ja gut erzogen. So pressen sie sich artig ein Dankeschön heraus und rennen mit dem neuen Spielzeug in der Hand davon. Warum nur bringen Eltern ihre Kinder immer wieder in solche peinlichen Situationen? Tante Elke oder Opa Herbert mögen ja viel ausgegeben haben. Aber reicht es nicht zu sehen, dass sich das Kind an dem Spielzeug freut (oder auch nicht)? Ist das nicht Dank genug?! Dass es für das Zusammenleben wichtig ist, sich zu bedanken, lernen Kinder doch genauso, wenn sie erleben, wie Mama oder Papa stellvertretend für sie ein paar herzliche Worte an Tante und Opa richten. Vielleicht können die Kinder sich sogar abgucken, wie es den Erwachsenen gelingt, mit Geschenken umzugeben, die zwar lieb gemeint, aber unpassend sind. Das Gegenüber nicht zu brüskieren ist auch eine Kunst.
Sag schön danke! Wer sich bei wem bedanken soll, das hat auch mit Macht zu tun. Es legt offen, wer abhängig ist, im kleinen wie im großen. „Die Schwarzen in Afrika“ sollen dankbar sein für unsere Entwicklungshilfe. Weiterlesen

Goldene Konfirmation: Was aus den Talenten gewachsen ist

Die Geschichte* passt gut zu unserem Fest heute. Was ist aus unserem Leben geworden? Womit haben wir einmal angefangen und was hat sich daraus entwickelt? 1972, da waren Sie 14, 15 Jahre, mit verrückten Ideen im Kopf, voller Träume und Tatendrang. Aber Sie haben auch schon mitbekommen, wie steinig und trist der DDR-Alltag sein konnte:  Wie hart manche Eltern arbeiten mussten. Dass es Gewalt in Familien gab. Wie Propaganda das freie Denken und die Lebenslust vergiftete und wie sich alle einen Weg suchen mussten, wie sehr sie sich anpassten oder eben aneckten. Und die Voraussetzungen bei den einzelnen waren tatsächlich unterschiedlich, wie in der Geschichte von Jesus. Weiterlesen

Feiern? Keine Zeit

Die Geschichte im Lukasevangelium (Lk 14,16-24*), die Jesus erzählt, könnte aus unseren Tagen stammen: keine Zeit. Ich habe keine Zeit, das ist einer der häufigsten Sätze heute. Einer hat einen Acker erworben, ein anderer fünf Paar Ochsen gekauft, der dritte hat geheiratet. Klar, dass sie da alle nicht kommen können. Klar, dass sie da nicht feiern können. Sie sind beschäftigt.

Ich habe einen Acker gekauft, entschuldigt sich der erste Gast. Ackern heißt doch, hart arbeiten, sich abmühen. Wenn jemand das Feld, das er beackert, wenn jemand sein Arbeitsfeld vergrößert und sich damit noch mehr Arbeit aufhalst, kann er nicht gleichzeitig zum Fest kommen. Weiterlesen