Der Genosse Parteisekretär rieb sich die Augen, als er eines Morgens auf den Markt kam. „Schwerter zu Pflugscharen“ hatte jemand an eine Wand geschrieben. In Sangerhausen!! Unverzüglich wurde der Markt abgesperrt, eine Malerbrigade zum Überpinseln bestellt und die Stasi eingeschaltet. Für die „staatlichen Organe“ war es höchst ärgerlich, dass solche Losungen bis in die Provinz drangen. Weiterlesen
Andachten
Von Herrn K. – Zum Reformationstag
Ein Mann, der Herrn K. lange nicht gesehen hatte, begrüßte ihn mit den Worten: „Sie haben sich gar nicht verändert.“ „Oh!“ sagte Herr K. und erbleichte. *
Wer sich verändert, lebt. Wenn es keine Bewegung mehr gibt, zieht Stillstand ein und am Ende der Tod. Solange wir uns wandeln, leben wir.
Wir reifen als Menschen, indem wir unseren Horizont immer wieder erweitern und uns verändern.Wer nie fragt und wer sich nicht selbst hinterfragt, wer nie irrt und neu beginnt, tritt auf der Stelle. Weiterlesen
Easy Rider – Auf dem Rummel
Wir waren schon mal gucken. In Eisleben. Auf der „Wiese“, dem großen Rummel. Vor ein paar Tagen, als die Geisterbahn gerade aufgebaut wurde. Denn heute nachmittag wird, wenn das Wetter mitspielt, kein Durchkommen mehr sein. Vom Kleinkind bis zur Großmutter drängt sich alles zwischen Karussells und Buden hindurch.
Aber abends, wenn es etwas ruhiger wird und eher die jüngeren Leute zurückbleiben und die Betrunkenen, gehe ich gern auf den Rummel. Mich zieht es zu den Karussells, den superschnellen, die mich richtig durchwirbeln. Da hüpfen Herz und Körper, und es kribbelt mächtig im Bauch. Weiterlesen
Denk mal
Was ist eigentlich mit der Gefallenen-Gedenktafel in der Jacobi-Kirche, fragten Leute mich vor einiger Zeit.
Ich druckste herum. Natürlich, die drei Soldatenbilder für die Gefallenen des 1. Weltkriegs, in den 20er Jahren gemalt. Von einem Pfeiler blickten sie auf die Gemeinde herab, Sonntag für Sonntag, bis zum Kirchenbrand 1971. Sie erinnerten an die verlorenen Väter, Brüder und Söhne und hielten zugleich die Erinnerung an Schmach und Niederlage wach. „Ich hatt’ einen Kameraden“, das klang lange in den Ohren.
Ob sie die Leute auch zum Frieden gemahnt haben? Ich fürchte, solche Tafeln hatten damals eine andere Funktion. Der nächste Krieg kam bald und mit ihm neue Kämpfer für Volk und Vaterland, neue Tote, neue Bitterkeit. Weiterlesen
Ich bin dann mal da
Seit einer Woche läuten die Schulklingeln wieder. Die Büros füllen sich mit gebräunten Heimkehrenden. Viele haben sich im Sommer erholt und neue Kraft geschöpft. Urlaub ist eine Chance, dass wir Neues entdecken, auch in uns selbst.
Seit einigen Jahren ist Pilgern angesagt. Weiterlesen
Glocken für den Krieg
Die Kinder in der Kirchgasse stocherten auf ihren Tellern herum. Schon wieder Steckrüben, mäkelten sie. Die Mutter zuckte müde mit den Schultern und schloss das Fenster. Aber es half nichts. Die schweren, metallischen Hammerschläge drangen durch jede Wand und ließen den Kopf schier zerspringen. Das ging schon eine Weile so. Kein Wunder, dass die Kinder quengelten.
Auf dem Kirchturm der Ulrichkirche wurde die Glocke zerschlagen. Weiterlesen
Nein sagen
„Ich hatte mich freiwillig an die Front gemeldet“, erzählte mir vor Jahren ein alter Mann. „Aber dann sollte ich bei einem Erschießungskommando mitmachen. Da habe ich nein gesagt. Mein Offizier wurde wütend und drohte mir Konsequenzen an. Doch ich blieb bei meinem Nein. Natürlich hatte ich Angst. Aber mir ist nichts passiert.“
Dieser Mann ist ausgestiegen aus seiner Mitläuferrolle. Es war also sogar unter den Nazis möglich, sich zu verweigern. Weiterlesen
Eine Ohrfeige hat noch niemandem geschadet
Haben Sie einen folgsamen Chef, der immer einverstanden ist mit dem, was Sie sagen? Nein? Dann scheuern Sie ihm doch mal eine! Links und rechts – lassen Sie Ihre Wut richtig raus! Sie werden merken, dass es Ihnen danach besser geht; Aggressionen müssen schließlich raus.
Auf diesen Gedanken sind Sie wahrscheinlich noch nie gekommen. Nicht weil alle Chefs so einsichtig sind, sondern weil es sich nicht gehört, dass wir Konflikte so austragen. Weiterlesen
Meine Suppe eß ich nicht
Meine Suppe eß ich nicht, schüttelte die Prinzessin ihren Kopf und schob den Löffel weg. Ein Stöhnen ging durch die Tischgesellschaft. Die Mutter des Landgrafen runzelte missbilligend die Stirn und zischte ihren Sohn an: Ruf sie zur Ordnung. Doch der saß seelenruhig in der Mitte der Tafel und hielt die Prinzessin – pardon die Landgräfin, denn sie hatten jüngst geheiratet – bei der Hand. Er wusste, warum sie nicht essen wollte. Auch die gesamte Hofgesellschaft hoch oben auf der Wartburg wusste, dass Prinzessin Elisabeth keineswegs mäkelte.
Vielmehr fragte sie bei jedem Gericht: Woher kommt es? Weiterlesen