Alles ist erlaubt

Alles ist erlaubt -aber nicht alles nützt.
Alles ist erlaubt -aber nicht alles baut auf.
Denkt dabei nicht an euch selbst,sondern an die anderen.  (1. Korinther 10, 23-24)
Diese Worte von Paulus sind die vorweggenommene Grundlage einer multikulturellen, demokratischen Gesellschaft. Alles ist erlaubt. Das unterscheidet uns von Gesellschaften, die von Verboten, Einschränkungen und Tabus dominiert werden. Es unterscheidet uns auch von Gesellschaften, in denen einige wenige bestimmen und Gruppen oder ganze Schichten ausgeschlossen und rechtlos sind. Alles ist erlaubt – damit stehen Menschen– und Freiheitsrechte allen zu. Wie schmerzlich es ist, wenn sie beschnitten werden, haben viele in der DDR erfahren.
Natürlich nützt nicht alles oder baut auf. Manches passt mir nicht; ich würde es anders machen oder finde es geschmacklos. Dennoch: grundsätzlich ist alles erlaubt. Aber mein Recht hat seine Grenze am Recht anderer. Allen anderen steht genauso wie mir zu, ihr Leben nach ihren Überzeugungen zu gestalten. Sonst entsteht, trotz bester Absichten, schnell eine Diktatur. Die Geschichte ist voll von Beispielen, die – im besten Fall – kleinkariert und grotesk wirken, oft aber grauenvolle Auswirkungen hatten. Selbst die Reformation war davor nicht gefeit.
In Genf beispielsweise durften die Eltern ihren Kindern weitestgehend nur noch biblische Vornamen geben (statt der üblichen französischen; sie galten als katholisch). Gaststätten mussten während der Gottesdienste schließen und die Leute sollten melden, wenn sie jemanden verdächtigten, fremdzugehen. Die Kirchenältesten hatten jederzeit Zugang zu allen Häusern zum Kontrollieren. Kein Wunder, dass Calvins Wirken viele Menschen verbitterte.
Paulus dagegen setzt nicht bei Einschränkungen oder Verboten an. Er spricht von der großen Freiheit. Wir sind zur Freiheit berufen. Wir müssen uns und andere nicht ängstlich einsperren. Unser Leben ist wie ein weites Feld, das vor uns liegt. Die Welt in ihrer Vielfalt ist ein Angebot, keine Bedrohung. Gott traut uns Menschen zu, dass wir damit zurechtkommen.
Manchmal zementieren Gesetze leider auch Ungerechtigkeit, statt sie zu beseitigen – besonders global. Dennoch kann nicht alles durch Vorschriften geregelt werden. Gott ist nicht kleinlich, sondern großzügig. Als Christinnen und Christen können wir zeigen, dass es möglich und wegweisend ist, Leben in Freiheit zu gestalten; wir können für Freiheit und Demokratie eintreten. Glauben will dabei helfen, nicht einengen.

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