Heute haben wir den 2. Februar, Maria Lichtmeß oder Darstellung des Herrn. Mit acht Tagen, also zu Neujahr, wird Jesus beschnitten. Mit sechs Wochen, 40 Tage nach der Geburt, trägt Maria ihr Kind in den Tempel. Sie reinigt sich kultisch von der Geburt. Sie stellt ihren Erstgeborenen Gott vor und bringt das vorgeschriebene Opfer. Damit endet die Weihnachtszeit. Die Tage sind schon länger. In früheren Jahrhunderten endete das gemeinsame Spinnen in den Spinnstuben und die Frühjahrsarbeiten auf den Feldern wurden vorbereitet. Viele bäuerliche Regeln ranken sich um den 2. Februar. Mit Kerzenweihe und Lichterprozessionen begrüßten die Menschen das zunehmende Licht und begingen diesen Tag in der Mitte zwischen der Wintersonnenwende und der Tag- und-Nachtgleiche im März. Im Gottesdienst heute begleiten wir Maria auf ihrem Gang zum Tempel und ziehen mit ihr in Jerusalem, der Tochter Zion, ein.
Was ist das für ein Fest, das wir heute begehen? Maria darf als jüdische Frau nach der Geburt den Tempel nicht betreten. Sie muß sich erst kultisch reinigen und ein Opfer bringen. Bei einem Jungen ist die Mutter schon nach 40 Tagen wieder rein, bei einem Mädchen dauert es 80 Tage.
Sind kleine Mädchen weniger wert, Frauen weniger als Männer? In vielen Länder ist es bis heute so. Und überhaupt: ist eine Geburt etwas Schmutziges, daß sie unrein macht? Auch in unseren Kirchen waren solche Vorstellungen vor ein paar Jahrzehnten durchaus noch lebendig. Eine schwangere Frau im Pfarramt wäre den Gemeinden nicht zuzumuten, hieß es, als es um die Zulassung von Frauen zum Pfarramt ging. Eine Pfarrerin mit dickem Bauch auf der Kanzel war für die Kirchenleitungen (und für viele Kollegen) unvorstellbar. Wenn eine Pfarrerin heiratete, bekam sie deshalb noch Ende der 60-er Jahre einen Entlassungsbrief und schied aus dem Dienst aus.
Lichtmeß wurzelt in patriarchalischen Gesellschaften, in denen Frauen durch Schwangerschaft, Menstruation als unrein angesehen und ausgeschlossen wurden. Blut ist tabu, das bedeutete in noch älteren Zeiten: Blut ist heilig. Geburt, das Bluten der Frauen etwas Lebensspendendes, Geheimnisvolles, und dieses göttliche Geheimnis durfte niemand berühren und entehren. Vielleicht wurde dieses ehrfürchtige Tabu zum schmutzigen, abstoßenden gewandelt, mit dem sich Ausgrenzung und Abwertung begründen ließen?
Können wir Lichtmeß, den Gang zum Tempel, für uns heute auch anders deuten?
Sechs Wochen nach der Geburt – da normalisiert sich alles. Die Gebärmutter bildet sich zurück, der Wochenfluß versiegt. Mutter und Kind haben sich aneinander gewöhnt, das neue Familienmitglied ist in der Familie angekommen. Das Stillen klappt, die Milch kommt zur rechten Zeit.
Beim ersten Kind, so wie bei Maria, sind alle Mütter und Väter noch unsicher, ob sie alles richtig machen. Aber nach sechs Wochen klappt auch das Wickeln wie im Schlaf. Alles hat sich eingespielt. Mutter und Kind haben ihren Rhythmus gefunden.
Hinter Maria liegt ein turbulentes Jahr, ein Jahr voller Umbrüche und Umstellungen. Ihr Leben hat sich komplett umgekrempelt. Du bist schwanger. En Schock. Was für ein Engel ist das, der ihr das eröffnet: Du wirst ein Kind bekommen. Woher soll das Kind kommen, da ich von keinem Mann weiß, denkt sie. Ein Kind ohne Vater, in einer Gesellschaft, die Frauen steinigt, die ein uneheliches Kind bekommen. Teenagerschwangerschaft. Was sagen ihre Eltern dazu? Wie Josef, ihr Freund, reagiert, deutet das Matthäusevangelium an: er wollte sie sitzenlassen. Maria läuft weg von zuhause. Bei Elisabeth erlebt sie, wie Leben wachsen kann. Erst nach einem Vierteljahr findet sie die Kraft, nach Hause zurückzukehren.
Der Körper stellt sich um. Vielleicht wird ihr schlecht. Ihr Bauch wird rund und schwer. Sie spürt das Baby in sich, wie es sich bewegt und strampelt.
Dann, als sie hochschwanger ist und jede werdende Mutter sich in Ruhe auf die Geburt vorbereitet, muß sie wieder fort, diesmal nach Betlehem. Eine Mehrtagestour, zu Fuß und in ihrem Zustand. Die Wissenschaft ist nicht überzeugt, ob Jesus in Bethlehem geboren wurde, ob also die Wanderung tatsächlich stattgefunden hat. Eins ist gewiß, eine Geburtswanne für die Wassergeburt, wie heute, das hatte Maria nicht, und ihr Körper war noch nicht ausgereift für die Schmerzen der Geburt. Doch auf einmal war es da; es lag in ihrem Arm, dieses winzige Neugeborene und duftete nach Schleim und Milch und wie ein neues Menschlein. Und dann sollte es noch ein Gotteskind sein? Wenn das keine Umstellungen sind! Innerhalb von nicht einmal einem Jahr ist aus dem Teenagermädchen eine junge Frau geworden, aus dem Kind eine Mutter, wohl auch Ehefrau. Die Maria, die vor nicht einmal einem Jahr noch verträumt und kichernd dagesessen hatte wie alle hippeligen 13-jährigen dieser Welt, ist für eine Familie verantwortlich.
Sechs Wochen nach der Geburt, bis heute Zeit des Mutterschutzes. Dann kehrt Normalität ein. Nachdem sie mit sich beschäftigt war, kann sie sich jetzt nach außen wenden. Sie kann sich dem Kind zuwenden. Sie kann ihr Kind entdecken. Sie kann sich freuen an dem Baby, kann es bewundern und anblicken und liebkosen. Jetzt kann die Beziehung zwischen Mutter und Kind wachsen und stabil werden.
Babys lieben Spaß und lachen gern. Maria hält ihren Sohn im Schoß und schäkert mit ihm. Der kleine Nackedei juchzt ausgelassen und patscht mit seinen Händchen in ihr Gesicht. Er greift nach ihrem Schmuck und streckt seine Arme nach der goldenen Schale mit Obst aus. Die Maler haben solche Momente in vielen Bildern festgehalten. Die Madonna mit der Perlenkette. Maria mit dem Jesusknaben und Johannes dem Täufer. Die Madonna mit den Kirschen. Maria im Rosenhag. Unzählige Male haben sie solche Augenblicke unbeschwerten Glücks gemalt, Szenen der Lebensfreude, Momente, in denen Maria mit innigem Blick in ihr Kind versunken ist.
Solch ein Bild hat der Komponist Hugo Wolf (1860-1903) mit Tönen gemalt. Er hat in der 2. Hälfte des 19. Jh in Österreich gelebt. In seinen spätromantischen Liederzyklen hat er u.a. Gedichte von Heinrich Heine, Eichendorff oder Goethe vertont. Ein Lied von den Mörike-Liedern (Nr. 23) nimmt uns hinein in eine Sommer- Landschaft mit Mutter und Kind und trägt den Titel Auf ein altes Bild.
Lichtmeß ist ein Fest, das den Einzug von Normalität nach Zeiten des Umbruchs thematisieren kann. Unter uns sitzen keine jungen oder werdenden Mütter. Veränderungen, Umwälzungen, Umbrüche gibt es auch bei den meisten von uns.
Manchmal kommt eine Lebensphase voller Umstellungen auf uns zu. Wir erleben Zeiten von Veränderungen, wo alles anders wird, wo alles umgekrempelt wird. Krankheit, Umzug, eine innere Krise, ein lieber Mensch stirbt, die Kinder ziehen aus, ein plötzlicher großer Verlust oder ein großer Gewinn, eine Erschütterung, die uns durcheinanderbringt, oder eine neue Erkenntnis, die alles, was uns bisher getragen hat, in ein anderes Licht rückt. Solche Phasen wechseln sich ab mit ruhigeren. Sie münden in Zeiten, in denen das Leben ruhig dahinfließt und wir die neue Lebensetappe gestalten können. Die Turbulenzen beruhigen sich und wir können wieder überschauen, was vor uns liegt, können planen und gestalten. Die Routine des Alltags kann auch etwas Entlastendes haben, daß wir wieder Kräfte schöpfen und stark werden für das Zukünftige, von dem wir noch nicht wissen.
Lichtmeß: die Weihnachtsachen sind endgültig abgeräumt. Die letzten Plätzchen sind aufgegessen, die Geschenke in Benutzung. Draußen singen die Vögel. Unter dem Schnee graben sich schon die Maulwürfe ans Licht.
Sechs Wochen nach der Geburt zieht für Maria und ihr Kind endlich Alltag ein. Sie kehren nach Nazaret zurück. Das Kind aber wuchs und wurde stark, voller Weisheit, und die Gnade Gottes lag auf ihm, heißt es in der Bibel. Zwei Alte haben sie im Tempel mit offenen Armen empfangen, Simeon und Hanna. Sie haben Eltern und Kind gesegnet und sich mit ihnen gefreut. Die können Segen und Freude gut gebrauchen, auch wenn sie es jetzt noch nicht wissen. „Und dort, im Walde wonnesam, ach, grünet schon des Kreuzes Stamm“, endet Hugo Wolfs Lied. Simeon, der Alte, hat es schon gesehen. Ein Schwert wird durch deine Seele dringen, sagt er. Maria wird es erst später verstehen.
Nun wandre, Maria – aus dem spanischen Liederbuch (1 Nr. 3) erzählt eigentlich von dem schmerzvollen Weg nach Bethlehem. Wir können es uns aber auch vorstellen als ihren Weg viel später, auf dem sie dieses Kind, das sie in ihrem Leib getragen hat, wieder loslassen und hergeben muß, so wie viele Mütter. Amen
Predigt zu Maria Lichtmeß am 2. Februar mit 2 Liedern von Hugo Wolf
Weitere Predigten zu Weihnachten und in der Epiphaniaszeit
Weitere Predigten im Jahreslauf
Weitere Predigten in der Passionszeit und Vorpassionszeit
Aus den Bestimmungen der Tora für Frauen nach der Geburt (3.Mose 12,2-8)
Wenn eine Frau schwanger wird und einen Jungen zur Welt bringt, so soll sie sieben Tage unrein sein, wie wenn sie ihre Regel hat. Am achten Tag soll seine Vorhaut beschnitten werden. Und sie soll dreiunddreißig Tage daheimbleiben im Blut ihrer Reinigung. Sie berühre nichts Heiliges, und sie soll nicht zum Heiligtum kommen, bis die Tage ihrer Reinigung um sind.
Bekommt sie aber ein Mädchen, so soll sie zwei Wochen unrein sein, wie wenn sie ihre Regel hat, und soll sechsundsechzig Tage daheimbleiben im Blut ihrer Reinigung.
Wenn die Tage ihrer Reinigung für den Sohn oder für die Tochter um sind, soll sie dem Priester ein einjähriges Schaf als Brandopfer und eine Taube oder eine Turteltaube als Sühnopfer vor die Tür der Stiftshütte bringen. Der Priester soll es vor Gott opfern und sie entsühnen, so wird sie rein von ihrem Blutfluß.
Vermag sie aber nicht ein Schaf aufzubringen, so nehme sie zwei Turteltauben oder zwei andere Tauben, eine als Brandopfer, die andere als Sündopfer. So soll der Priester sie entsühnen, damit sie rein wird.