25. März: Marias Empfängnis, Hagar und die Leihmütter in der Ukraine

Am 25. März ist „Mariä Empfängnis“ oder „Mariä Verkündigung“. Der Engel Gabriel besucht Maria und setzt sie davon in Kenntnis, dass sie schwanger wird. Maria hat nicht mit einer Schwangerschaft gerechnet und bekommt einen Schreck: „Wie soll dies geschehen, da ich von keinem Mann weiß?“ (Lukas 1,34) Gottes Geistkraft wird auf sie herabkommen, beruhigt Gabriel sie. Zu Weihnachten, genau neun Monate später, wird Jesus geboren.
Maria wird nicht auf natürlichem Weg schwanger. Sie trägt ein Kind für Gott aus. Sie soll ihren Körper dafür zur Verfügung stellen, dass Gott einen Sohn bekommen kann, dass Gott ein Mensch werden kann. Maria ist buchstäblich eine Leihmutter Gottes.

Im Neuen Testament wird übrigens nicht erzählt, dass Maria „Jungfrau“ war. Diese Lehre wurde erst viel später konstruiert, als eine Stelle aus dem Jesaja-Buch als Weissagung auf die Geburt von Jesus bezogen wurde. Dort heißt es „eine junge Frau ist schwanger, sie wird ein Kind gebären und es Immanuel nennen“. (Jesaja 7,14) Im Hebräischen steht ‚alma‘, junge Frau. Erst die griechische Übersetzung hat daraus „Jungfrau“ gemacht.

In der Bibel hat Maria eine Vorgängerin, die oft vergessen wird. Hagar trägt ein Kind für Abraham aus, den Urvater des jüdischen Volkes. Hagar war eine ausländische Sklavin und gehörte Abrahams Frau Sara. Weil Abraham und Sara vergeblich auf ein Kind warteten, überlegten sie sich, dass Hagar ein Kind von Abraham bekommen soll. Das sollte der von Gott verheißene Erbe sein. So wird Hagar mit Ismael schwanger.

Jahrhunderte später nun soll Maria den verheißenen Erlöser in ihrem Körper tragen.  Die „Empfängnis Mariä“ oder „Verkündigung an Maria“ am 25. März ist ein hohes Fest in der orthodoxen und der katholischen Kirche und es wurde sehr lange auch im protestantischen Bereich begangen. Wir feiern eine Schwangerschaft, die nicht auf natürlichem Weg zustande kam.

Leihmütter sind der letzte Ausweg für Menschen, die keine Kinder bekommen können, auch wenn sie alles versucht haben: Hormontherapie, In-vitro-Fertilisation, Adoption. Das ist nicht nur belastend und teuer. Auch die rechtlichen Hürden sind hoch. Nur in wenigen Ländern ist Leihmutterschaft legal möglich.
Die Ukraine ist eins dieser Länder in Europa. Spezialisierte Kliniken betreuen die schwangeren ukrainische Leihmütter bis zur Geburt. Paare aus aller Welt kommen hierher.
Als der Krieg begann, sammelten sich die Babys in Schutzbunkern. Ihre Wunsch-Eltern konnten sie lange nicht abholen. Die Keller wurden mit Babybettchen vollgestellt. Krankenschwestern haben sich um die Neugeborenen gekümmert, ihnen Fläschchen gegeben, sie geknuddelt und beruhigt. Inzwischen soll auch in den Kinderwunschkliniken wieder Routine eingezogen sein und auf ihren Webseiten werben sie mit professioneller Betreuung.

Am 25. März wird die Empfängnis Marias begangen. Genau wie Maria oder Hagar empfangen Leihmütter ein Kind, das nicht ihr eigenes ist und doch in ihnen zum Leben heranwächst. Keine Frau wird Leihmutter, weil sie einfach nur ein großes Herz für wildfremde Paare in Deutschland, Großbritannien, Brasilien oder die USA hat, die keine Kinder bekommen können. Frauen stellen ihren Körper zur Verfügung, um sich und ihrer Familie den Lebensunterhalt zu finanzieren, um ihren Kindern eine Ausbildung zu ermöglichen oder um Schulden abzubezahlen. Was wird aus ihnen, aus den Schwangeren und aus den fremden Kindern, die sie in ihrem Leib tragen und die doch gleichzeitig ihre Kinder sind und für die sie die Schmerzen der Geburt auf sich nehmen?

In der Bibel hat Hagar es nicht mehr ausgehalten. Sie war ja gleich dreifach abgehängt und unfrei: als Frau, als Ausländerin und als Sklavin. Das potenzierte ihre Rechtlosigkeit. Sie floh in die Wüste. Das bedeutete den sicheren Tod. In der Wüste überlebt niemand. Hagar ging also in den Selbstmord.

Doch Gottes Engel sucht nach ihr und spricht mit ihr. Wo kommst du her und wo gehst du hin, fragt der Engel. Er erkundigt sich danach, was sie durchgemacht hat. Und ihn interessiert es, was Hagar für Vorstellungen von ihrer Zukunft hat. Hagar wird gesehen. Und sie gibt Gott einen Namen, der genau das widerspiegelt: Du bist ein Gott, der mich sieht. Hagar ist die erste Person in der Bibel, die Gott einen Namen geben darf. Du siehst mich. Die Bibel kehrt damit die gängigen Verhältnisse um. Eine entlaufene Sklavin darf aussprechen, wer Gott ist: El-Roi (hebräisch), eine „Gottheit des Mich-Sehens“.
Der Engel schickt Hagar zurück zu Abraham und Sara. Sie soll zurück in die Verhältnisse voller Gewalt und Demütigung, aus denen sie geflohen ist. Vielleicht hätte sie sonst keine Überlebenschance gehabt. Hagar bekommt dort ihren Sohn Ismael. Als Sara später doch schwanger wird und Isaak bekommt, verjagen Abraham und Sara Hagar mit ihrem kleinen Sohn. Eine grausame Geschichte, auch wenn Gott am Ende beide rettet und mit Nachkommen segnet. *

Auch in der Kirche ist Hagar meistens übersehen worden. Über Abraham und Sara als Ur-Eltern des jüdischen Volkes und Vorbilder des Glaubens ist oft gepredigt worden. Hagars bitteres Schicksal hingegen hat kaum jemanden interessiert, so wie auch Rassismus, Sklaverei oder Gewalt gegen Frauen und Kinder jahrhundertelang in der Kirche keine wichtigen Themen waren. Doch mit den Zeiten wandelt sich der Blick. Was ist etwa mit Menschen, für die ein Kinderwunsch unüberwindliche Hürden darstellt. Oder Familien, die nicht „der Norm“ entsprechen. Oder eben Leihmütter. Wie sieht ihre Lebenswirklichkeit aus, was wünschen sie sich? Wir können in ihre Wüsten gehen, danach fragen, was sie zu sagen haben, und uns mit ihnen solidarisieren. So wie Gott.

Die Bibel beschreibt Hagar und Maria mit einem ganz ähnlichen Wort: Demütigung oder Erniedrigung. Hagar wird von Sara gedemütigt. Maria bezeichnet sich selbst als Frau, die Erniedrigung erfahren hat, als Sklavin. Und wie Hagar betont sie, dass Gott sie sieht. In ihrem Loblied, dem Magnificat, besingt sie, dass Gott die Erniedrigung ihrer Sklavin gesehen hat (Lukas 1,48).

Viele weihnachtliche Gemälde stellen die Verkündigungsszene dar, wie der Engel Gabriel Maria aufsucht und ihr die Nachricht von ihrer eigenen Schwangerschaft mitteilt, von dem fremden, eigenen Kind, das sie neun Monate lang unter ihrem Herzen tragen wird. Maria trägt einen Heiligenschein. Himmelslicht fällt auf sie. Die Taube erzählt von Gottes Geistkraft, die sie umhüllt. Solche göttliche Geistkraft möge auch alle Hagars und Marias heute umstrahlen, bergen und schützen. Amen.

Predigt zum 25. März – Tag der Empfängnis Mariä (Ankündigung der Geburt Jesu)

* Die Bibel erzählt Hagars Geschichte zweimal in unterschiedlichen Varianten, 1. Mose 16, 1-16  und 1. Mose 21,8-21

 

 

Andere Beiträge zu Maria und Schwangerschaft:

Elisabeth und Zacharias: Elternschaft mit Hindernissen
Maria und Josef – eine Frauen- und Männergeschichte
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Demut??

Predigt zu Abraham und Isaak: Eltern opfern Kinder

Abbildung: Hier ist Maria schon im 3. Monat schwanger. Begegnung von Maria und Elisabeth („Heimsuchung“). Altargemälde in der Jacobikirche Sangerhausen

 

In ersten Fassung 2022 nahm die Predigt Bezug auf einen Artikel in Spiegel Online von Nicole Abé: Bleiben Sie ruhig. Das Leben Ihres Kindes hängt davon ab“. Leihmutterschaft in der Ukraine. spiegel-online 19.3.2022 Damals hatte ich u.a. geschrieben:

Die Ukraine ist eins der wenigen Länder in Europa, in dem das legal möglich ist. Spezialisierte Kliniken betreuen die schwangeren ukrainische Leihmütter bis zur Geburt. Paare aus aller Welt kommen hierher. Wenn die Eltern ihre Babys in die Arme schließen, brauchen sie noch etwa 4 Wochen in der Ukraine, um sich die Geburtsurkunden, Beglaubigungen und Pässe ausstellen zu lassen, die nötig sind.
Seit Beginn des Krieges sammeln sich die Babys in Schutzbunkern, berichtet der „Spiegel“. Ihre Eltern können sie nicht mehr abholen. In einer der Kliniken sind es um die 20, und täglich kommen neue dazu. Hunderte Frauen sind noch schwanger. Manche der Schwangeren leben noch in ihren Wohnungen, andere sind in WGs der Klinik untergebracht. Doch Hochschwangere außer Landes zu evakuieren wäre zu gefährlich gewesen und hätte nach der Geburt auch unüberwindbare rechtliche Zwickmühlen produziert.
In der Klinik ist der Keller mit Babybettchen vollgestellt. Krankenschwestern kümmern sich um die Neugeborenen, geben Fläschchen, knuddeln und beruhigen sie. Die meisten haben selbst Familien, viele können nicht nach Hause. Noch haben sie genug Windeln und Babynahrung. Auch wenn jetzt nur noch 2 Tage für alle Beglaubigungen nötig sind, ist es nur wenigen Eltern gelungen, ihre Kinder abzuholen.

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